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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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vernünftig gewesen war. Er ließ sich sinken, schnappte sich zwei Hände voll Schlamm, tauchte wieder auf, zielte nach Ahmose und warf sich dann auf ihn, weil er ihm mit dem Schlamm das Gesicht einreiben wollte. Und dann schrien und johlten sie wie ausgelassene Kinder, bogen sich vor Lachen und bewarfen sich mit schwarzem Schlamm. Der stand für die Missachtung, mit der Kamose dem König, der Zukunft und seinem Schicksal entgegensah, und er genoss es, genoss diese Stunde in vollen Zügen. Der Anfall war genauso schnell vorüber, wie er gekommen war, und er und Ahmose wuschen sich, so gut es ging, und stakten dann das Boot wieder zur Bootstreppe, doch Kamose fühlte sich zufrieden und hatte wieder frischen Mut gefasst.
    Am nächsten Tag stand er wie gewohnt vor dem Morgengrauen auf, ging gelassen zum Tempel, wusch und bekleidete den Gott und stellte Essen und Wein vor ihm ab mit Händen, die nicht ins Stocken gerieten, während sich Amunmose beim Ritual verhaspelte und das Sistrum der Sängerinnen abgehackt klang und etwas aus dem Takt geriet. Nur bei den Ermahnungen wurde die Stimme des Hohen Priesters wieder sicherer, als er Amun daran erinnerte, wie treu die Fürsten von Waset gewesen waren, und den Gott anrief, die Jahre des Vertrauens zu belohnen. Danach zogen beide auf dem Vorhof ihre Sandalen an, und Kamose lud Amunmose ein, an allen Abenden, die der König in seinem Haus weilte, mit ihnen zu speisen. »Wir sind stolz auf unseren Gott mit der Doppelfeder«, sagte er, »und der König soll wissen, dass wir auch seine Diener ehren. Du hast uns unterstützt, Amunmose, und falls du den Zorn des Königs nicht fürchtest, so vertritt bitte den Schutzgott Wasets.« Amunmose war bänglich zumute, aber er war kein Feigling, und so nahm er an.
    Kamose war jetzt mit sich in Einklang und schickte einen Diener in die Stadt, der Apophis’ Ankunft ausspähen sollte, dann gesellte er sich zur Familie, die sich gerade im Garten versammelte, verdrossen in ihrem Staat herumsaß und auf Apophis wartete. Kamose wusste, es hatte keinen Zweck, sie aufzuheitern. Mit einem gemurmelten Guten Morgen hockte er sich ins frische Gras und schwieg auch.
    Lange war nichts weiter zu hören als das ständige, kaum wahrgenommene Vogelgezwitscher und das Rascheln der Brise im Gebüsch. Eidechsen schossen von Schatten zu Schatten. Ein Frosch hüpfte auf den Teichrand, betrachtete das Wasser und sprang auf ein Lotosblatt. »Mir ist schlecht«, sagte Tani. Kamose wollte ihr gerade antworten, als das Geräusch vieler Stimmen allmählich die Vogelmusik übertönte und zu donnerndem Jubel anwuchs. Zur gleichen Zeit kam der Diener außer Atem angelaufen und verbeugte sich.
    »Er kommt, er kommt!«, keuchte er. Die Familie erhob sich wie ein Mann.
    »Meinen Spiegel!«, blaffte Tetischeri, und Isis reichte ihr die Kupferscheibe. Tani legte die Hände auf die Wangen. Ahmose ging zu Aahmes-nofretari, und ihre Hand glitt in seine Ellenbogenbeuge. Aahotep wechselte einen Blick mit Kamose.
    »Waset jubelt ihm zu«, sagte sie. Kamose sagte achselzuckend:
    »Unsere Leute denken vernünftig. Sie wissen, dass ein paar Jubelrufe nichts bedeuten und dem Mann, gegen den sie uns geholfen haben, vielleicht gefallen. Sind wir bereit?« Er musterte sie alle der Reihe nach. Feinstes Leinen umschmeichelte ihre Glieder, sie trugen Perücken und waren geschminkt und funkelten von Geschmeide. Für Höflinge können wir nicht durchgehen, dachte Kamose mit einem Kloß im Hals. Wir haben keine Ahnung mehr von der Mode im Delta. Aber wir haben allesamt etwas Zeitloses und Einmaliges, das ich heute am aufrechten Rücken meiner Großmutter, an Aahmes-nofretaris’ unbewusster Würde und an Tanis königlichen, wenn auch nicht einstudierten Gesten erkenne. Das können uns die Setius nicht nachmachen. Es ist einzigartig. »Ich bin so stolz auf euch alle«, sagte er mit erstickter Stimme. »Wir wollen unserem Vater heute keine Schande machen, was auch immer geschieht. Wir wollen unseren ganzen Mut zusammennehmen. Gehen wir jetzt?«
    Sie schritten durch den sonnengefleckten Schatten des Laubengangs, an der Spitze Uni und Achtoi, die heute den langen, gefältelten Amtsschurz ihrer Stellung trugen. Hinter der Familie kamen die Diener mit dem formellen Begrüßungsmahl, Brot, Wein und Trockenobst auf einer goldenen Platte, das dem König angeboten werden sollte. Nach reiflicher Überlegung hatte Kamose entschieden, Apophis nichts zu schenken. Das würde den Eindruck erwecken, als wollten

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