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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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einen silbernen Stab mit Sutech-Kopf, dessen Wolfsschnauze allen Zuschauern warnend die Zähne fletschte. Neben ihm gingen zwei Weeb-Priester, die den Gott und den König lobten und priesen. Diese Gruppe übersah die Familie vollkommen.
    Die Wassersprenger erreichten den großen, gepflasterten Platz und schickten sich an, jeden Stein zu bespritzen. Amunmose, auch er in seine Amtsroben gekleidet und von Tempeldienern umgeben, trat näher, um den Amtsbruder zu begrüßen. Die Sänfte war fast da. Kamose spürte die Erwartung und Anspannung rings um sich. Die Träger blieben stehen und setzten sie behutsam ab, dann traten sie beiseite. Diener eilten heran und zogen die kunstvoll gewebten Vorhänge zurück, und als sie das taten, warfen sich alle rings um die Sänfte zu Boden, nur der Mann nicht, der sich jetzt näherte und neben der Familie stehen blieb. Er war ganz in Weiß gekleidet. Sein Schurz, sein Kopftuch, seine Sandalen und sein langer Stab, den er jetzt hob, waren auch weiß, ein Stab mit goldenen Ringen. Der Oberste Herold, dachte Kamose, dem ein Hauch von Jasmin, der Duftsalbe des Mannes, in die Nase stieg. Wie war noch sein Name? Er hörte den Mann tief Luft holen, als ein brauner Fuß in einer überall mit Juwelen besetzten Sandale aus der Sänfte auftauchte und nach dem Boden tastete.
    »Der Starke Stier der Maat, Geliebter des Seth, Geliebter des Ptah, er, der den Herzen Leben schenkt, der Einzig-Eine der Doppelkrone, Herr der Zwei Länder, Awoserra Aqenenre Apophis, er, der ewig lebt!« Die kräftige, dröhnende Stimme des Herolds hallte von den Enden des Hauses bis zum Fluss wider. Der König war aus der Sänfte gestiegen und kam auf sie zu. Die Fächerträger zur Rechten und zur Linken kamen an seine Seite gesprungen und hielten ihm die weißen Straußenfedern, die Symbole göttlichen Schutzes, hoch über den Kopf, wo sie vor dem blauen Himmel zitterten.
    In dem Augenblick, ehe Kamose widerwillig das Knie beugte, musterte er den König. Apophis war größer als die meisten Männer, die ihm aufwarteten. Seine Beine waren lang und wohlgeformt, seine Schultern wirkten breit unter dem weißen, losen Hemd mit den kurzen Ärmeln und dem Fächerpektoral aus Gold und Lapislazuli. Sein Hals war vielleicht ein wenig zu lang für sein mageres Gesicht, und das gab ihm etwas Spitzes und Unsicheres, so als ob er jeden Augenblick das Gleichgewicht verlieren könnte.
    Kamose blieb keine Zeit, sein Gesicht zu betrachten. Als er auf die Knie fiel und dann seinen Fußfall machte, hatte er nur einen einzigen Gedanken, und das war Empörung. Der Leib des Königs sprach nur zu beredt von seiner fremdländischen Herkunft, und er hatte kein Recht, gar kein Recht, Lapislazuli zu tragen. Das Götterhaar aus dem kostbaren dunkelblauen Stein mit den glitzernden Goldeinsprengseln war nur den Göttlichen vorbehalten, und nur die Gottkönige und ihre Familien hatten das Recht, ihren Leib damit zu schmücken.
    Schafhirt, dachte Kamose gehässig. Das war die größte Beleidigung für einen Ägypter. Das Pflaster war noch feucht von dem geweihten Wasser und warm unter seiner Nase und steinig unter seinem Bauch. Neben sich hörte er Tani schnell und abgehackt atmen, und hoffentlich hielt Tetischeri, die zweifellos wütend war, dass sie sich vor irgendjemandem bäuchlings in den Staub werfen musste, auch ja den Mund.
    Schweigen machte sich breit. Dann fiel ein Schatten auf Kamose, doch er wagte nicht, sich zu bewegen. Er konnte soeben den königlichen Fuß mit einem Hennafleck am Spann ausmachen, der sich in der vergoldeten Ledersandale wölbte, und eine Kette aus Türkisen und Goldperlen um die Zehen. Es war ein schlanker Fuß. Endlich sprach Apophis. »Steht auf«, sagte er. Die Familie erhob sich und wagte nicht, sich den Staub von der Kleidung zu klopfen. Kamoses Augen wanderten zum Gesicht des Königs. Es war ihm nicht gelungen, sich nach dem kurzen Besuch vor vielen Jahren an seine Züge zu erinnern, nur daran, dass der junge Apophis einen Bart getragen hatte, doch jetzt stellte er fest, dass er ihm bekannt vorkam. Er hätte den Bart lieber nicht abrasieren sollen, dachte Kamose, als er die ausgeprägten Wangenknochen und die hohlen Wangen musterte, die ein festes Kinn verhießen, was jedoch nicht eingelöst wurde.
    Apophis’ Kinn war ein wenig zu spitz, seine Augen standen etwas zu eng zusammen, seine Augenbrauen waren kräftig und schwarz. Die obere Hälfte seines Gesichts war tatsächlich königlich, die Augen, die jetzt

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