Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
ihm zur Begrüßung entgegen, bot dem Mann eine Matte im Schatten des Gartens und ein kühles Getränk an, doch der lehnte ab. »Ich bringe Fürst Kamose und seiner Familie eine Botschaft«, sagte er. »Morgen Mittag beehrt der König dieses Haus mit seiner göttlichen Gegenwart. Er beabsichtigt, sich mit geöffneten Vorhängen in seiner Sänfte durch Waset tragen zu lassen, damit ihm das Volk zujubeln kann. Alsdann erwartet er, von der Familie auf dem Weg am Fluss begrüßt zu werden, denn wie man sieht, ist hier nichts überschwemmt. Er und seine unmittelbare Umgebung werden in eurem Haus nächtigen, doch für sein Gefolge werden außerhalb von Waset oberhalb der Überschwemmungslinie Zelte aufgeschlagen. Das ist alles.«
    »Ist das alles?«, hakte Ahmose scharf nach. Der Mann hatte den Anstand, rot zu werden. Er verbeugte sich knapp.
    »Das ist alles, Prinz.«
    »Danke«, sagte Ahmose schroff. »Du kannst gehen.«
    Eins zu null für uns, dachte er, als er sich auf die Suche nach Kamose machte. Vermutlich kleinlich von mir, aber wie tief wir auch in Ungnade gefallen sein mögen, die Diener des Königs haben uns noch immer die gebührende Achtung entgegenzubringen. Ob Ramose wohl auf das königliche Gefolge gestoßen ist? Nein, wahrscheinlich nicht. Das Hochwasser, das ihn rasch nach Haus trägt, hat unseren König gezwungen, entweder durch die Wüste oder ein gutes Stück oberhalb des Wassers zu marschieren, wo die Pfade nicht oft benutzt werden und weich oder steinig sind, je nachdem, wo man ist. Das dürfte seine Laune nicht gehoben haben, und möglicherweise müssen wir darunter leiden, aber der Gedanke, dass seine Reise anstrengend und unbequem gewesen ist, der freut mich einfach.
    Während er so überlegte, hatte er den hohen Eingang erreicht, der sowohl in das Arbeitszimmer als auch in den Empfangssaal führte, und stieß dort auf Kamose, der gerade um die Ecke bog. Rasch teilte er ihm die Neuigkeiten mit. »Ich kann dir ohnedies nicht helfen«, sagte er noch, »und die Frauen möchten mich gewiss nicht im Haus haben. Mutter und Großmutter werden emsig Vorbereitungen treffen, Apophis wird jedoch das ganze Getue übel nehmen und schlechte Laune haben. Mit deiner Erlaubnis würde ich gern mein Boot nehmen und nach den Nilpferden sehen. Kommst du mit, Kamose?«
    Kamose musterte seinen Bruder etwas gereizt. Ahmose wartete noch immer auf Antwort, lächelte und sah ihn von der Seite an, während die Brise seine braunen Locken zauste. Bisweilen kannst du einen zur Verzweiflung bringen, dachte Kamose. Du benimmst dich, als ob wir noch immer zwölf, dreizehn wären, arglos und gedankenlos, und ich kann mich kaum erinnern, dass du dich auch nur einmal erwachsener gezeigt hättest als deine neunzehn Lenze. Vielleicht beneide ich dich auch einfach um deine Fähigkeit, dir nicht vor der Zeit Sorgen zu machen. Warum sollte ich im Haus bleiben? Du hast Recht. Ich habe heute keinerlei Verpflichtungen. Ich würde doch nur grübeln. »Ja, ich komme mit«, sagte er laut. »Ich will nur noch den anderen Bescheid sagen, wir treffen uns dann am Fluss.«
    Kurz darauf legten er und Ahmose ab. Ahmose stakte, stand mit sehnigen, gespreizten Beinen über seinem Bruder und plauderte beim Staken. Kamose bemühte sich redlich, den verheißungsvollen, strahlenden Nachmittag zu genießen. Die Nilpferde schliefen, sonnten die mächtigen, reglosen Leiber oberhalb der Flutgrenze. Die Brüder sahen ihnen ein Weilchen zu, und Kamose beneidete sie darum, wie gut sie sich dem Nichtstun überlassen konnten. »Lass uns schwimmen«, schlug Ahmose vor. »Die kümmern sich nicht um uns, da können wir genauso gut Spaß haben.« Spaß, dachte Kamose besorgt. Was haben wir dem König zu bieten, abgesehen von unseren Musikanten? Dann gab er sich einen Ruck und folgte Ahmose, ließ sich in das kühle Wasser zwischen die Binsen gleiten und schrie auf, als seine Zehen im Schlamm versanken.
    Eine gute Stunde lang schwammen sie hin und her, dann tauchte Ahmose, kam mit einer Hand voll schwarzem Schlamm wieder hoch, bewarf Kamose damit und grinste dazu spitzbübisch. Kamose wollte schon protestieren, doch unversehens überkam ihn eine sorglose Freude. Er machte sich nicht bewusst klar, dass dieser Augenblick für ihn der letzte in Freiheit oder das überwältigende Verlangen war, sich in die verschwundenen Jahre seiner Kindheit zurückzuziehen. Er wusste nur, dass die Sonne heiß herabbrannte, das Wasser unter seinem Kinn himmlisch glatt und er viel zu lange

Weitere Kostenlose Bücher