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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Schlafgemach herrschte angespanntes, ungläubiges Schweigen, das nur durch die sanften Bewegungen des Arztes unterbrochen wurde. Kamose und Tetischeri standen erstarrt nebeneinander. Aahotep hatte sich an Kamose vorbeigedrängt, als dieser mit Uni redete, und kniete jetzt am Kopfende des Lagers, und die Tränen liefen ihr über die frisch geschminkten Wangen, doch sie hatte sich offensichtlich im Griff. Lange sahen alle dem Arzt bei seiner Untersuchung zu, aller Augen bewegten sich wie gebannt mit seiner Hand, und dann rührte sich Aahotep. »Lebt er noch?«, fragte sie. Der Mann hielt inne und blickte sie überrascht an.
    »Natürlich lebt er noch, Fürstin, sonst würde ich das alles nicht tun, sondern hätte die Sem-Priester holen lassen. Sieh doch selbst.« Er nahm einen kleinen Kupferspiegel aus seinem Holzkasten und hielt ihn Seqenenre dicht vor den Mund. Er beschlug.
    »Ach, Seqenenre«, hauchte Aahotep. »Wer hat dir das angetan?« Als sie das sagte, löste sich die Spannung der anderen. Tetischeri trat zum Lager.
    »Wie schlimm ist die Verletzung meines Sohnes?«, fuhr sie den Arzt an. Der Mann steckte seinen Spiegel weg.
    »Wenn er gewaschen ist, Fürstin, kannst du sehen, dass er abgesehen von einem Kratzer auf der Wange, wo er auf etwas Scharfes gefallen ist, nur die furchtbare Kopfwunde hat. Die Axt ist so tief eingedrungen, dass das Hirn frei liegt.«
    »Axt?«, platzte Kamose heraus. »Er ist mit einer Axt angegriffen worden? Woher willst du das wissen?«
    »Das erkenne ich an der Form der Wunde«, antwortete der Arzt. »Und ich kann auch sagen, dass die Axt aus Bronze gewesen ist. Eine von unseren Äxten hätte keine so säuberliche Wunde gemacht. Unsere sind nicht so hart, und bei der Wucht des Hiebs hätte es viele Splitter gegeben, die ins Hirn eingedrungen wären. Es gibt auch hier Splitter, aber die kann ich entfernen, viele sind es jedoch nicht.« Er hätte noch mehr gesagt, doch an der Tür entstand ein Aufruhr, Tanis Stimme übertönte Mersus Vorhaltungen.
    »Vater! Was ist, was ist hier los? Lass mich vorbei, Mersu!« Aahotep stand rasch auf. Die Hände, die sie auf das Laken stützte, zitterten.
    »Amun, vergib mir, Tani habe ich ganz vergessen«, sagte sie, und ehe der belagerte Mersu nachgab, war sie schon durchs Zimmer und zur Tür hinausgelaufen. Kamose wandte sich wieder an den Arzt.
    »Wird er sterben? Gibt es noch Hoffnung?« Der Arzt sagte zögernd:
    »Ich kann ihm den Kopf rasieren, ihn waschen und die Splitter entfernen, aber ich kann ihn nicht ins Bewusstsein zurückrufen. Ich schlage vor, dass man einen Priester holt, der einen Genesungszauber spricht.«
    »Du glaubst, er stirbt.«
    »Ja«, sagte der Arzt schlicht.
    Si-Amun unterbrach sie, er kam mit dem blauen Leinenkopftuch und einer aufgerollten Peitsche in der Hand ins Zimmer gestürzt. »Was geht hier vor?«, fragte er. »Hor-Aha hat Anweisung, die Truppen wieder über den Fluss zu setzen, und die Diener rennen wie kopflose Hühner im Haus herum!« Als Antwort trat Kamose beiseite. Seqenenre lag auf dem Bauch, und beim Nähertreten sah der junge Mann die schreckliche Wunde. Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, dann schwankte Si-Amun, und Kamose streckte die Hand aus und stützte ihn. »Was hat er?« Si-Amuns Stimme war nur noch ein Krächzen. Kamose ließ ihn los.
    »Jemand hat versucht, ihn mit einer Axt zu ermorden«, sagte er grimmig. »Und nicht einfach mit einer Axt, o nein, mit einer Setiu-Waffe.«
    »Nein!«
    Kamose warf seinem Bruder einen verwunderten Blick zu. Si-Amuns Gesicht hatte alle Farbe verloren, und Kamose befürchtete schon, dass er ohnmächtig würde. Etwas an Si-Amuns Schrei bewirkte, dass ihm die Haare zu Berge standen.
    »Beruhige dich, Bruder«, sagte er schnell. »Vater lebt. Wie lange noch, das kann niemand sagen, aber …« Weiter kam er nicht, denn Si-Amun hatte das Zimmer bereits verlassen.
    Doch Seqenenre starb nicht. Den ganzen Tag bearbeitete der Arzt seinen leblosen Körper, wusch ihn, rasierte ihm die vollen schwarzen Locken ab, entfernte Schädelhaut, die zu schlimm betroffen war, und zupfte winzige Stückchen Knochen aus der dicken Haut über Seqenenres Hirn. Der seufzte nicht einmal. Er atmete weiterhin flach und unregelmäßig. Kamose saß stundenlang neben ihm, ohne sich von der grausigen Behandlung abschrecken zu lassen, doch schließlich musste er zu Hor-Aha, der sich bemühte, die verärgerten Soldaten zu beruhigen. Die Streitwagen waren wieder in die Boxen gebracht worden. Die

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