Der fremde Pharao
losschicken müsste.«
»Ich habe darüber nachgedacht«, erwiderte Kamose. »Falls ihn ein Mörder niedergestreckt hat, dann ist der Mann schon lange fort. Hat er Vater beobachtet? Hat er so herausbekommen, wo Vater war? Und falls nicht, so haben wir einen Spion in unserer Mitte, der uns schrecklich hassen muss. Ist vom König ein Befehl an jemanden gekommen, den wir kennen, jemand genau vor unserer Nase?« Er rutschte auf dem Schemel hin und her und seufzte. »Ich muss das Gesinde befragen und werde Hor-Aha bitten, dass er einen vertrauenswürdigen Mann abordnet, der unter den Soldaten Klatsch auffängt, falls geklatscht wird. Soldaten tratschen gern und wissen oft Sachen, auf die wir nie kommen würden. Anderenfalls …«, er fuhr sich matt durchs staubige Haar, »haben wir wenig Hoffnung, den Schuldigen ausfindig zu machen. Was auch besser für ihn ist. Ich würde ihm zu gern den Schädel einschlagen und danach den Schlaf des Gerechten schlafen.«
»Ich ertrage die Hilflosigkeit einfach nicht«, sagte Tetischeri. »Und auch die Demütigung, dass wir uns selbst nicht schützen und seinen Angreifer nicht finden können. Unser Stolz und ein geliebtes Familienmitglied haben einen vernichtenden Schlag erhalten.« Sie hielt inne, als ihre Stimme sie verraten wollte, schwieg ein Weilchen, schenkte sich ein wenig Wein ein, von dem sie dann doch nicht trank, dann fuhr sie fort: »Führst du das Heer an Stelle deines Vaters nach Norden, Prinz?« Kamose blickte sie gelassen an.
»Nein«, antwortete er bestimmt. »Das wäre dumm, ehe wir nicht wissen, ob der König Vaters Tod befohlen hat oder nicht. Wenn nicht, so sind unsere Aussichten nicht schlechter als vorher.« Er grinste spöttisch. »Nämlich so gut wie nicht vorhanden. Wenn ja, dann ist es eine Warnung, nichts mehr zu unternehmen. Ich werde die Soldaten weiterhin durchfüttern und abwarten. Ich werde alle Mitglieder unseres Gesindes mit Setiu-Vorfahren, darunter auch Uni und Mersu, befragen.«
»Mersu ist seit vielen Jahren bei uns, Uni auch. Du wirst beide zutiefst kränken.«
»Auf ihre Gefühle gebe ich nichts. Jemand hat es gewagt, Hand an einen Gott zu legen, und dieser Jemand wird bezahlen.« Seine mit Entschiedenheit gesprochenen Worte machten einen tiefen Eindruck.
»Falls er stirbt«, sagte Tetischeri glattzüngig, »ist Si-Amun ein Gott.« Darauf gab er keine Antwort, sondern stand lediglich auf und stutzte den Docht in der Lampe, der angefangen hatte zu flackern. »Wir müssen Zeit gewinnen«, fuhr sie nach einem Weilchen fort. »Ich schlage vor, dass du Apophis einen Brief diktierst. Teile ihm mit, dass dein Vater von einem herunterfallenden Felsbrocken getroffen wurde, als er in der Wüste in der Nähe der Felsen jagte. Teile ihm mit, dass Seqenenre dabei war, die Anweisungen aus Apophis’ Rolle auszuführen, und zu beschäftigt zum Antworten war. Füge vielleicht noch hinzu, dass er den König mit einem fertigen Werk überraschen und erfreuen wollte.« Kamose starrte in die Lampenflamme.
»Sehr gut, Großmutter«, sagte er. »Und ich setze noch hinzu, dass es Vater für nötig gehalten hat, die Zahl der Leibwachen zu erhöhen, weil von Zeit zu Zeit Räuber aus der Wüste die Dörfer in den Provinzen behelligen. Das geschieht, wie Apophis weiß, alle Jahre wieder. Ich werde ihm außerdem mitteilen, dass wir viele Männer ausgehoben haben, die mit der Arbeit am Seth-Tempel beginnen sollen, und dass der Einzig-Eine froh sein soll, dass sein treuer Nomarch den Gott so bereitwillig ehrt.«
Tetischeri nickte. »Das wird bei ihm Zweifel wecken, falls wir einen Spion im Haus haben. Er wird sich fragen, ob der Mann nicht doch falsch berichtet, und wir haben für ein Weilchen Luft.«
»Oder die Frau«, warf Kamose ein. »Der Spion kann auch eine Frau sein. Ihr Götter! Es könnte jeder sein. Morgen diktiere ich den Brief.« Keiner äußerte sich weiter zu der wachsenden Gewissheit, die ihnen nur ihr Instinkt sagte, nämlich dass Seqenenres Angreifer zu ihrem Haushalt gehörte.
Während sie so schweigend zusammensaßen, sank Tetischeri auf ihrem Stuhl in sich zusammen, und Kamose starrte bedrückt in die Lampe, und doch waren sie sich bewusst, dass aus der Zuneigung, die sie immer füreinander empfunden hatten, herzliches Einvernehmen wurde. Kamose überlegte, dass er bis jetzt ohne nachzudenken gewusst hatte, dass sie sich sehr ähnlich waren, sie mit ihrem herrischen Wesen und er mit seiner bisweilen kalten Zurückhaltung. Er war immer gern in ihrer
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