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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Haushofmeistergewänder, ein Rasiermesser, ein zweites Paar Sandalen, einen schlichten hölzernen Kosmetikkasten, den er auf Si-Amuns Geheiß aufmachte und in dem sich ein Krug mit Duftöl und ein Tiegel Kohl und mehrere Perücken befanden. Die andere Truhe enthielt das Gold, das Mersu gespart hatte, mehrere Amulette, eine kleine Amun-Statue, eine andere von Sutech und verschiedene Armbänder und Ketten, allesamt aus Kupfer, jedoch zierlich mit Karneolen und Türkisen gearbeitet. Tetischeri hatte sich ihrem Haushofmeister gegenüber großzügig gezeigt.
    Si-Amun verließ der Mut. Er beugte sich über die Truhen, nahm die Habseligkeiten in die Hand und nickte dann knapp. Mersu machte sich daran, alles wieder einzuräumen. Es gab keine Rolle, keine Botschaft für Mersu. Doch falls ich Mersu wäre, dachte Si-Amun, und ich den Befehl erhalten hätte, meinen Gebieter zu ermorden, so würde ich den Papyrus gewiss nicht herumliegen lassen. Ich würde ihn sofort verbrennen. Verzweiflung packte ihn. Ich weiß, dass Mersu schuldig ist, aber ich kann es nicht beweisen, und jetzt wird mir der Elende ewig böse sein.
    Mersu war aufgestanden und wartete höflich, doch hinter seinen gesenkten Lidern spürte Si-Amun Erleichterung, oder sogar Triumph? Dann schoss Si-Amun ein anderer Gedanke durch den Kopf. Was ist, wenn die Botschaft nicht aufgeschrieben gewesen ist? Apophis ist nicht dumm. Er wird aus Furcht, entdeckt zu werden, keine teure Rolle an einen Dienstboten schicken. Gewiss wird er die Worte auf Tonscherben kritzeln wie die Bruchstücke, auf denen Schüler oder Schreiber schreiben lernen. In jedem großen Haushalt gehen dauernd Töpfe zu Bruch. Ein Haushofmeister im Besitz eines solchen Scherbens würde sich nicht verdächtig machen.
    Er ging auf und ab und schob den Staub mit den Füßen hin und her. Die Fußböden in den Dienstbotenzellen waren nicht gefliest, sondern aus glatten Lehmziegeln, deren Oberfläche schnell aufraute und unter den Füßen einen dünnen Film aus trockenem Lehm hinterließ. Er spürte, dass Mersu aufmerkte, als er mit den Sandalen scharrte, aber er fand nichts. Er kam sich genasführt vor und betrachtete nachdenklich die Lampe. Mersu sagte nichts.
    Auf einmal wusste Si-Amun Bescheid. Er knurrte und ging zur Lampe, schob den brennenden Docht beiseite, der in dem warmen Öl schwamm, und fischte einen kleinen roten Scherben heraus. Er hörte, wie Mersu die Luft ausstieß, hörte den langen Seufzer des Besiegten. Si-Amun säuberte das Stück mit seinem Schurz und machte sich darauf gefasst, dass Mersu floh, doch der Haushofmeister stand einfach da und hatte die Hände in die Ärmel geschoben. Die Lampe spuckte und die Schatten flackerten, während sich der Docht wieder beruhigte. Si-Amun hielt die Botschaft ans Licht. Sie lautete »Töte den Verräter«. Über einer groben Zeichnung von Sutech war sie mit ›Itju‹ unterschrieben. Itju war der Oberste Schreiber des Königs. Si-Amun starrte Mersu an, und Mersu erwiderte den Blick. »Die hättest du lieber nach Empfang zerschlagen sollen«, flüsterte Si-Amun schließlich. »Dann hätte man dir nichts nachweisen können.« Mersu lächelte schmal.
    »Dazu war keine Zeit«, sagte er. »Ich habe es versucht. Falls du heute Abend nicht gekommen wärst, hätte ich es auch getan. Die habe ich gestern von einem Herold auf dem Weg zum zweiten Katarakt bekommen. Deine Großmutter hat mich den ganzen Tag auf Trab gehalten, und wenn ich nicht mit Uni gegessen und geschwommen hätte wie jeden Abend, hätte er Verdacht geschöpft. Ich habe den Scherben in der Küche in einem Abfallhaufen versteckt, und dort hätte ich ihn lieber lassen sollen. Ich konnte ihn erst holen, nachdem ich den Fürsten niedergeschlagen hatte, und dann war es zu spät. Das Durcheinander, die panischen Botengänge …« Er hob die Schultern. »Amun hat mich für meine böse Tat bestraft.« Er schluckte. »Prinz Si-Amun, du kannst mir glauben, ich liebe deinen Vater und seine Familie. Waset ist meine Heimat. Aber ich bin dem König verpflichtet und muss seinen Befehlen gehorchen.«
    Si-Amun hörte sich das entsetzt an. Die letzten Worte hätten seine eigenen sein können.
    »Der König hat sich deiner bedient«, sagte er noch immer im Flüsterton. Das bestätigte Mersu mit einem Kopfnicken.
    »Hat der König nicht ein Recht darauf, sich eines jeden von uns, seinen Untertanen, zu bedienen?«, fragte Mersu zurück. Darauf wusste Si-Amun keine Antwort. Als Mersu sah, dass er zögerte, trat er

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