Der fremde Pharao
der Familie angreifen, um letztes Jahr das Heer trotz der prächtigen Ernte durchzufüttern. Müssen wir uns noch länger an den Bettelstab bringen lassen?«
Seqenenre griff wieder zum Pinsel, und Ipi legte ihm einen neuen Tonscherben hin: »Seine Gesundheit, Bereitschaft, Tüchtigkeit« schrieb er, doch auf einmal war er müde und wollte schlafen. Er legte sich zurück, zog den linken Arm auf den Bauch und umfasste ihn mit dem rechten. Ipi reichte Kamose den Scherben, der warf einen Blick darauf und gab ihn an Hor-Aha weiter.
»Die Gesundheit der Soldaten ist gut, vorausgesetzt, die Hauptleute arbeiten hart mit ihnen«, antwortete Hor-Aha, hob sein dunkles Gesicht nachdenklich zum Himmel, und seine langen schwarzen Zöpfe bewegten sich dabei auf der nackten Brust. »Aber es scheint mir unwirtschaftlich, Fürst, sie ständig kampfbereit zu halten. Sie werden jeden Tag gedrillt, und immer mehr können gut mit den Bogen umgehen, die die Handwerker herstellen, aber sie murren und fangen oft untereinander Streit an. Sie wollen nach Haus, wenn es keinen Krieg gibt.« Seqenenre dachte darüber nach und sah dabei einem dunkelroten Schmetterling zu, der über Beheks schlafendem Kopf schwebte, ehe er hierhin und dorthin und endlich zu der blauen Lotosblüte flatterte, die auf der klaren Wasseroberfläche des Teiches trieb.
»Entlasse sie, Vater.« Die Stimme gehörte Si-Amun. Er war aufgestanden und beugte sich über Seqenenre, was den Schatten, in dem dieser lag, noch dunkler machte. »Dein Traum vom Aufstand ist zunichte geworden. Die Götter haben überlegt und sich gegen dich entschieden. Sie sind mit Apophis zufrieden, und falls du es bis zum Äußersten treibst, ist ihre Vergeltung endgültig. Ich habe Angst, dass wir unter einem Fluch stehen, wir alle, ich habe Angst, dass Apophis die Geduld verliert. Außerdem«, und hier warf er seinem Bruder und Hor-Aha einen Blick zu, »außerdem können wir uns ein stehendes Heer nicht leisten. Das konnten wir noch nie. Jeder Tag, der vergeht, erschöpft unsere Notvorräte weiter. Ich für mein Teil würde aufatmen, wenn Waset wieder das verschlafene Nest von früher wäre.« Kamose lachte belustigt.
»Ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet du eine Lanze für ein friedliches Leben brechen würdest!«, spöttelte er. »Dennoch hast du irgendwie Recht. Amunmose sollte den Willen der Götter befragen, was uns angeht.«
»Er kennt nur Amuns Willen«, wollte Seqenenre einwerfen, »und ich glaube, der ist eindeutig gegen Aufgeben.« Als er ihre höflichen, erwartungsvollen Mienen sah, fluchte er innerlich, griff sich einen neuen Scherben aus Ipis schwindendem Vorrat und schrieb heftig, während sein Gesicht vor Anstrengung und Enttäuschung rot anlief. »Männer zur Aussaat heimschicken«, schrieb er. »Ende des Monats Pharmuthi zurückholen.« Er warf Si-Amun die Botschaft zu.
»Nein«, sagte der junge Mann und reichte sie an Kamose weiter. »Nein, Vater, bitte.« Er ließ sich neben die Pritsche sinken, kniete im warmen Gras, hob die Hände und packte Seqenenre beim Arm. Der wandte sich ihm mühsam zu. Si-Amun hatte die Stirn gerunzelt, die Lippen verkniffen, und blickte besorgt. »Wir haben dem Verlust unseres Wohlstands, dem Zorn des Königs und der Missbilligung der Götter getrotzt«, fuhr er leidenschaftlich fort. »Du bist ernstlich verwundet, wirst vielleicht nie wieder gesund. Ich habe einen Sohn verloren, alles, um etwas richtig zu stellen, was du als Unrecht ansiehst.« Er blickte zu seinem Zwilling hinüber und wandte den Blick wieder ab. Kamose starrte ihn ausdruckslos an. Hor-Ahas Blick war auf seine glatten gekreuzten Beine gerichtet. »Das Schicksal hat deinen Traum mit schrecklichem Leid beantwortet. Besinne dich und kämpfe nicht mehr. Bitte!«
Kamose kam dazwischen. »Es war mehr als das, Si-Amun«, sagte er. »Die Briefe, das Wissen, dass wir gedrängt wurden, gedrängt werden. Daran hat sich nichts geändert.« Alle wandten sich Seqenenre zu. Der war auf einmal zu müde für den Schreibpinsel, sammelte aber seine ganze Kraft und sagte:
»Nein. Wir … machen … weiter.« Und dieses Mal verstanden sie ihn. Kamose erhob sich, Hor-Aha tat es ihm nach.
»Wie schade, aber natürlich gehorche ich«, sagte Kamose. »Ich schicke die Rekruten und die Männer aus Wawat heim, die Hauptleute sollen sie nach Ende der Aussaat wieder zusammenholen. Vielleicht ist der König ja besänftigt, wenn er merkt, dass wir die Soldaten nach Haus schicken, und hört auf, uns zu
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