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Der fremde Tibeter

Titel: Der fremde Tibeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Militärs.«
    »Soll das heißen, Tan und Direktor Zhong seien Verschwörer? Zhong hat auch damit zu tun?«
    »Würden Sie ihn denn gern darin verwickelt sehen?«
    Shan starrte ihn an und fragte sich, ob er richtig gehört hatte. »Ich müßte Einblick in Ihre Unterlagen nehmen.«
    »Unmöglich.«
    »Lassen Sie mich mit Miss Lihua sprechen.«
    »Jaos Sekretärin? Wieso?«
    »Sie soll bestätigen, daß Jao in einem Korruptionsfall ermittelt hat. Sie hätte auf jeden Fall davon gewußt.«
    »Sie wissen, daß sie im Urlaub ist.« Li zuckte die Achseln, als er Shans unzufriedenen Gesichtsausdruck bemerkte. »Was soll's. Sie können ihr ein Fax schicken.«
    »Ich traue Fax-Mitteilungen nicht.«
    »Na gut, sobald sie wieder hier ist.« Er schaute auf die Uhr. »Der Wagen wird Sie zurück in die Stadt bringen.«
    Shan stieg ein, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er wußte, daß Li log, wenn dieser behauptete, er wolle Shan nicht als Opfer sehen. Aber log er, weil er wegen der Ermittlungen beunruhigt war oder einfach nur aus all den üblichen Gründen?
    Li beugte sich zum Fenster hinein. Das höhnische Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden. »Verdammt, Shan. Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das jetzt erzähle. Die Sache ist schlimmer, als Sie es sich jemals vorstellen könnten. Es werden Köpfe rollen, und niemand wird da sein, um auf Ihren Kopf aufzupassen. Sie müssen zur 404ten zurückkehren, und ich muß meinen Fall abschließen, bevor der Wahnsinn seinen Lauf nimmt.«
    »Der Wahnsinn?«
    »Man wird ein Spionageverfahren eröffnen. Jemand in Lhadrung hat Computerdisketten gestohlen, auf denen sich geheime Informationen über die Grenzverteidigungsanlagen der Öffentlichen Sicherheit befinden.«
    Shan sah, wie Dr. Sung an Yeshe vorbeiging, der auf der Bank im Gang saß, und ihr dunkles Büro betrat. Sie warf ihr Klemmbrett auf einen Stuhl, schaltete eine kleine Schreibtischleuchte ein und schob einen Teller mit halbverzehrtem Gemüse beiseite. Dann drückte sie einen Knopf an einem kleinen Kassettenrekorder und wandte sich einem Schachbrett zu. Die Partie hatte bereits begonnen. Opernmusik erklang. Sie zog einen Bauern und drehte das Brett um. Sie spielte gegen sich selbst.
    Nach zwei Zügen hielt sie inne und schaute nach draußen zu der Bank. Mit einem Fluch auf den Lippen drehte sie den Kopf der Lampe nach oben, so daß Shans Stuhl in der Ecke des Zimmers erhellt wurde.
    »Das faszinierendste an einer Untersuchung ist die Erkenntnis, wie subjektiv die Wahrheit eigentlich ist«, stellte Shan fest. Er klang sehr müde. »Sie hat so viele Dimensionen. Politische. Berufliche. Doch die sind noch leicht zu erkennen. Am schwierigsten ist es, die persönliche Dimension zu begreifen. Wir finden so viele Möglichkeiten, die Lügen zu glauben und die Wahrheit zu ignorieren.«
    Die Ärztin schaltete die Musik ab und starrte zerstreut auf das Schachbrett. »Die Buddhisten würden sagen, daß jeder von uns seine eigene Methode hat, den inneren Gott zu ehren«, sagte sie mit erstickter Stimme.
    Die Worte erschütterten Shan. Plötzlich wußte er nicht mehr, was er sagen sollte. Am liebsten hätte er die Frau in Ruhe gelassen und nicht an ihr Elend gerührt, aber das konnte er nicht.
    »Wann haben Sie damit aufgehört, Ihren zu ehren?«
    Er sehnte sich nach einer ihrer scharfen, wütenden und schlagfertigen Antworten, doch er erntete lediglich Schweigen.
    Er entfaltete Sungs Brief an die amerikanische Firma und ließ ihn vor ihr auf den Tisch fallen. »Hatten Sie das Gefühl, Sie würden mich anlügen, als Sie vorgaben, nichts von Jaos Interesse an einem Röntgengerät zu wissen? Oder haben Sie tatsächlich selbst daran geglaubt, weil offiziell nur Ihr eigener Name erwähnt wurde?«
    »Ich habe nur gesagt, solche Apparate seien zu teuer.«
    »Gut. Demnach wollten Sie also nicht lügen.«
    Sung zog geistesabwesend einen Turm. »Jao hat mich gebeten, einen Brief zu schreiben. Es würde keinen Verdacht erregen, wenn ein Krankenhaus eine solche Bitte äußerte.«
    »Weshalb mußte er so heimlich tun? Warum hat er nicht einfach selbst bei der Firma nachgefragt?«
    Sie nahm einen Springer und musterte die Figur eindringlich. »Eine Untersuchung.«
    »Er hat Sie bei der Durchführung um Hilfe gebeten. Und er hat nicht erzählt, worum es im einzelnen ging?«
    Sie starrte noch immer die Schachfigur an. »Er ist manchmal vorbeigekommen, nicht allzu oft, und dann haben wir hier gesessen und Schach gespielt. Haben uns über zu Hause

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