Der Fremde vom anderen Stern
Dann entdeckte er Charity. Sie stand bei einer Gruppe von Nadelbäumen und hob sich in ihrem roten Kapuzenmantel wie ein leuchtender Farbtupfer gegen die eintönig weiße Landschaft und den grauen Himmel ab. Sie trug dicke Handschuhe und streute irgend etwas auf den Boden.
Fasziniert schaute er zu, wie Vögel von den schneebeladenen Zweigen der Bäume herabflogen und gierig das aufpickten, was Charity ihnen gab. Er hatte das Gefühl, daß diese gefiederten Vielfraße ihr das Leben verdankten. Genau wie er selbst.
Erstaunt stellte er fest, daß sie mit den Tieren sprach. Er nahm sich vor, dies unbedingt Julianna zu berichten, denn auf Sarania war nicht bekannt, daß Menschen die Fähigkeit besaßen, mit Tieren zu kommunizieren.
Charity schien mit der Fütterung und Unterhaltung fertig zu sein, und nun stapfte sie durch den kniehohen Schnee zurück zum Haus. Als sie ihn am Fenster stehen sah hielt sie kurz inne.
Ihre Blicke trafen sich durch die Galsscheibe, und die Empfindungen, die dieser Augenkontakt bei ihm auslöste, erschütterte Starbuck zutiefst.
Einen kurzen Moment lang fühlte er die gleiche Verwirrung wie gestern abend, als er allein durch die fremde, eisige Schneelandschaft gestolpert war.
4. KAPITEL
Starbuck faßte sich rasch wieder.
Als die Tür aufging, schaute er scheinbar interessiert auf das Kaminfeuer. Dabei fiel ihm ein, daß in seinem Schlafzimmer auch ein Feuer im Kamin gebrannt hatte.
Selbst wenn ihm diese Methode, einen Raum zu heizen, vorsintflutlich, und vom ökologischen Standpunkt aus nahezu verbrecherisch vorkam, so mußte er doch zugeben, daß der Geruch von brennendem Holz und die natürliche Wärme äußerst angenehm waren.
„Heute sehen Sie wirklich wieder richtig lebendig aus", begrüßte ihn Charity, als sie die Küche betrat.
„Ich fühle mich auch wieder lebendig. Die heiße Dusche hat mir gutgetan."
„Das kann ich mir vorstellen nach dem, was Sie gestern durchgemacht haben." Sie streifte den schweren Mantel ab und hängte ihn an einen Garderobenhaken.
Die Hose, die sie trug, sah fast genauso aus wie seine. Aber ihr steht sie bei weitem besser, dachte er und ließ bewundernd den Blick über ihre schlanken Hüften wandern.
Sie hatte einen anderen Pullover angezogen. Das Material und die Farbe wirkten weicher und erinnerten Starbuck an eine Wolke, die vom rosa Licht des sarnianischen Mondes beleuchtet wurde.
Ihre runden, vollen Brüste zeichneten sich sanft unter dem weichen Material ab. Hastig schob er die Hände in die Hosentaschen, um nicht in Versuchung zu geraten, ihren aufregenden Körper zu berühren.
„Ich muß mich wohl bei Ihrem Bruder bedanken, daß ich seine Kleidung tragen darf", begann er, um sich auf andere Gedanken zu bringen. „Haben Sie noch mehr Geschwister?"
„Ja, noch zwei Schwestern, Faith und Hope", entgegnete sie und lächelte ihn schelmisch an. „Meine Mutter hatte eine Schwäche für viktorianische Namen, obwohl sie eine durch und durch moderne Frau ist. Mein Zwillingsbruder Dylan hat wirklich Glück gehabt, daß er kein Mädchen geworden ist, die nächste Tochter sollte nämlich Prudence heißen."
Fasziniert schaute Starbuck in ihre Augen, die ihm wie zwei wundervolle tiefblaue Seen erschienen.
Trotz seines Übersetzungsmoduls verstand er nur die Hälfte von dem, was Charity sagte, denn sie sprach für sarnianische Verhältnisse sehr, sehr schnell und viel. Die Bewohner von Sarnia beschränkten sich in ihren Äußerungen auf das Notwendigste, Unterhaltung um der Unterhaltung willen war ihnen fremd.
Ein schnarrendes Geräusch zog seine Aufmerksamkeit auf sich, und neugierig schaute er zur Wand. Dort hing ein kleines Häuschen, aus dem ein Spielzeugvogel herauskam, der ein paarmal mit lustiger Stimme piepste und gleich wieder hinter einem Türchen verschwand. Nach einer Weile fiel ihm wieder ein, daß dies eine Art Uhr war. Eine merkwürdige Art, die Zeit zu messen, dachte Starbuck verwundert.
„Und Ihr Vater?" nahm er die Unterhaltung wieder auf. „Wo ist er?"
„Er ist vor ein paar Monaten gestorben."
Obwohl es im höchsten Maße unlogisch war und er sich wirklich keinerlei Vorwürfe machen mußte, hätte er sich am liebsten dafür geohrfeigt, daß durch seine Frage aller Glanz aus den faszinierenden blauen Augen seiner Retterin wich.
„Das tut mir leid", meinte er leise.
„Er war ein wundervoller Mensch, jeder hatte ihn gem."
„Mein Vater wurde auch von allen geschätzt und respektiert", hörte er sich sagen, „Oh, ist
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