Der Fremde vom anderen Stern
er...?"|
„Er ist im vergangenen Jahr gestorben", erklärte Starbuck. „Ich kann es immer noch nicht richtig fassen, daß er tot ist."
Auch wenn der Tod auf Sarnia als ein Naturgesetz akzeptiert wurde und keinen Grund zur Trauer bot, so verspürte Starbuck doch größeren Schmerz über den Verlust seines Vaters, als es bei reinrassigen Sarnianern üblich war.
„Es dauert immer seine Zeit, bis man über so etwas hinwegkommt", bestätigte Charity. „Wie wird denn Ihre Mutter damit fertig?"
„Sie redet nicht viel darüber, aber ich vermute, daß es ihr sehr zu schaffen macht, denn sie stürzt sich regelrecht in ihre Arbeit, viel stärker als zu der Zeit, als mein Vater noch lebte."
„Meine Mutter hat genauso reagiert. Einen Tag nach der Beerdigung ist sie nach Tahiti geflogen, um zu malen. Es gibt Leute, die das für taktlos halten, doch meine Geschwister und ich, wir wissen, daß sie nur weggegangen ist, weil sie es hier ohne Vater nicht aushält."
Sie schüttelte leicht den Kopf, als wolle sie leidvolle Gedanken vertreiben, und ging zu einem Glasbehälter, aus dem sie eine dunkle, dampfende Flüssigkeit in eine Tasse goß.
„Möchten Sie einen Kaffee?"
„Ja, gern", sagte er, ohne zu wissen, worauf er sich einließ.
Sie reichte ihm eine Tasse, und er kostete vorsichtig. Diese Flüssigkeit schmeckte tausendmal besser als die Kräutertees, die es auf Sarnia gab.
„Das ist köstlich."
Charity strahlte ihn an. „Nett, daß Sie das sagen. Leider stellt schwarzer Karfee schon den Höhepunkt meiner Kochkünste dar. Und sogar dafür habe ich, lange üben müssen. Als ich meine erste Nachtschicht bei der Polizeieinheit in Venice - o nein!" Geräuschvoll stellte sie die Tasse auf den Küchentisch. „Ich habe ihn total vergessen", klagte sie.
Dann zog sie sich ein Paar riesige blaue Handschuhe an, die Starbuck an die Ausrüstung des Entseuchungskommandos der Konföderation erinnerten, und holte eine dunkle Pfanne aus einem weißen Schrank.
„Das darf nicht wahr sein, er ist völlig verbrannt!"
Interessiert betrachtete er die verkohlten Überreste in der Pfanne.
„Sieht so aus", stimmte er zu. „Was ist es denn überhaupt?"
„Schmorbraten, zubereitet nach Großmutter Prescotts Rezept." Charity ließ die Schultern sinken.
„Ich hätte ihn schon gestern abend herausnehmen müssen. Dylan wollte eigentlich zum Essen kommen."
„Das ist allein meine Schuld", tröstete Starbuck sie. „Wenn Sie sich nicht um mich gekümmert hätten, wäre das nicht passiert."
„Nein, das ist nicht Ihre Schuld." Seufzend fuhr sie sich durch das kurze, schimmernde Haar. „Ich bin einfach eine miserable Köchin, das ist alles."
Starbuck verstand nicht, warum sie sich Gedanken um den Braten machte. So wie es aussah, war da ohnehin nichts mehr zu retten. Warum also Zeit und Energie verschwenden und sich über Dinge aufregen, die nicht mehr zu ändern waren?
Diese Frau war das unlogischste Wesen - außer den transparentflügeligen Fledermäusen auf Evian 4 - dem er je begegnet war. Dennoch übte sie auf unerklärliche Weise eine magische Anziehungskraft auf ihn aus.
„Sie waren also Polizistin?"
„Genaugenommen", erwiderte Charity mit unüberhörbarem Stolz, „war ich sogar Kriminalbeamtin, ehe ich wieder hierhergezogen bin."
Starbuck zog erstaunt die Brauen hoch. „Sie sind wirklich bei der Polizei?" hakte er ungläubig nach.
Sie seufzte und warf ihm einen flüchtigen Blick zu. „Jetzt bin ich Polizeichefin von Castle Mountain.
Das hört sich aber nach mehr an, als es ist. Die Mannschaft besteht nur aus mir und Deputy Andy Mayfair, der allerdings bloß halbtags arbeitet."
„Polizeichefin", murmelte er und versuchte angestrengt zu begreifen, wie man einer so zarten jungen Frau einen so gefährlichen Beruf zumuten konnte.
„Ganz recht." Sie sah ihn forschend an, und eine leichte Röte färbte ihre Wangen.
„Paßt Ihnen das nicht?"
Sein Übersetzungsmodul hatte ihn noch nie im Stich gelassen, doch im Moment wußte Starbuck nicht, ob er Charity richtig verstand oder nicht.
„Was war Ihr Aufgabengebiet, als Sie in Venice gearbeitet haben?"
„Ich war bei der Einheit, die Sittlichkeitsverbrechen aufzuklären hatte. Dort habe ich auch einen Monat verdeckt gearbeitet und dafür gesorgt, daß ein berüchtigter Vergewaltiger, der am Strand sein Unwesen trieb, hinter Schloß und Riegel verschwand. Noch Fragen?"
„Klingt ganz schön gefährlich." Er fragte sich, wie ihr Vater, der zu dieser Zeit ja noch gelebt
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