Der Fremde vom anderen Stern

hatte, oder ihr Partner es zulassen konnten, daß sie einen derart riskanten Beruf ausübte.
    Sie zuckte mit den Schultern. „Nur mit Shorts bekleidet in einem ausgewachsenen Schneesturm herumzulaufen ist auch nicht gerade ohne. Am Strand von Venice würden Sie bestimmt eine gute Figur machen, doch für Maine hatten Sie eindeutig zu wenig auf dem Leib."
    Sie runzelte die Stirn. „Ich sollte Sie in ein Krankenhaus bringen. Sie müßten gründlich untersucht werden."
    „Ich will aber nicht ins Krankenhaus."
    „Wenn Sie wüßten, wie egal mir das ist, was Sie wollen", fauchte sie so wütend, wie es sich auf Sarnia wohl kaum eine Frau erlaubt hätte.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Charity an.
    „Und wenn ich mich einfach weigere?"
    Sie hob das Kinn und begegnete unerschrocken seinem Blick. „Ich würde Ihnen nicht raten, es darauf ankommen zu lassen."
    Verschwunden war das heiter plaudernde, kapriziöse Wesen, statt dessen stand eine energische, willensstarke Frau vor ihm, die es mit jedem schwerbewaffneten Gesetzeshüter auf Sarnia hätte aufnehmen können.
    „Aber für heute sind Sie noch einmal davongekommen", meinte sie beschwichtigend. „Denn ehe es nicht aufgehört hat zu schneien, gibt es keine Möglichkeit, aufs Festland zu gelangen."
    Starbuck atmete erleichtert auf. „Sie müssen es ja wissen", erwiderte er sanft, worauf Charity ihn mit einem mißtrauischen Blick bedachte.
    „Wir müssen unbedingt das Geheimnis lüften, was mit Ihren restlichen Kleidern passiert ist", bestimmte sie. „Hier auf der Insel hat es noch nie einen Raubüberfall gegeben, und gestohlen wird auch so gut wie gar nicht."
    Die rötlichen Flammen des Kaminfeuers wärmten den Raum, und der duftende Kaffee regte Starbucks Geist an. Er war froh, daß er trotz seines fast menschlichen Körpers das sarnianische Bewußtsein behalten hatte.
    In den Archiven von Sarnia wurden die Terraner als unberechenbare, nicht sehr hoch entwickelte, bisweilen sogar gewalttätige Rasse dargestellt.
    „Du lieber Himmel!" Charity umklammerte die Lehne eines Stuhls und ließ sich auf die geflochtene Sitzfläche sinken. An ihrem Tonfall erkannte er, daß etwas nicht stimmte. „Was ist denn los?"
    Sie starrte ihn an, ihre Augen waren weit aufgerissen. „Ich weiß jetzt, warum Sie mir die ganze Zeit so bekannt vorgekommen sind."
    „Und warum?" erkundigte er sich betont gelassen, obwohl das Herz ihm bis zum Halse klopfte.
    Wenn er sie nun an jemanden erinnerte, den sie kannte? An jemanden, den sie nicht mochte? Aus dem Studienmaterial, das Julianna ihm überlassen hatte, ging hervor, daß die Menschen sehr gefühlsbetont waren. Besonders die Frauen galten einmal im Monat als sehr launisch. Was sollte er tun, wenn sie ihn wieder fortschickte in diese weiße Kälte und ihn sich selbst überließ?
    „Sie sind der Mann aus meinem Traum." Ihre Stimme klang weich und bebte ein wenig.
    „Aus Ihrem Traum?"
    „Ja. Es war ein Tagtraum. Kurz vor diesen UFO-Anrufen."
    Man hatte ihn also doch bemerkt. Starbuck hatte eigentlich gehofft, daß das Polarlicht intensiv genug sein würde, um seine Ankunft auf der Erde zu tarnen.
    „UFO-Anrufe?"
    „Vergessen Sie es. Es gibt hier immer ein paar Verrückte, die bei der Polizei anrufen, wenn Vollmond ist. Ich habe das Gefühl, daß es auch irgendwie mit den Sonneneruptionen zu tun hat", erklärte sie. „Aber ich weiß nicht, ob sich das irgendwie wissenschaftlich untermauern läßt."
    Natürlich hätte er ihr diese Theorie jetzt bestätigen können, doch da die Studie, die die These bewies, erst in fünf Sonnenumlaufzeiten erscheinen würde, enthielt er sich lieber jeglichen Kommentars.
    Allerdings kam ihm nun etwas anderes zu Bewußtsein. „Habe ich Sie richtig verstanden? Sagten Sie, Ihr Bruder heißt Dylan Prescott?"
    Die maßgebliche Studie über den Einfluß der Sonneneruptionen auf die Psyche, die auf Sarnia zum grundlegenden Unterrichtsstoff in Psychologie gehörte, war von einem Wissenschaftler namens Dylan Prescott entwickelt worden.
    Galilei, Kopernikus, Newton, Darwin, Einstein, Prescott und Pournelle waren die einzigen Terraner, die für würdig befunden wurden, in sarnianischer Fachliteratur zitiert zu werden. Doch selbst bei diesen sieben Männern wurde mit einer Fußnote darauf verwiesen, daß es sich bei ihnen um Ausnahmeerscheinungen ihrer Spezies handelte.
    „Ja, genau. Das ist mein Bruder", stöhnte Charity. „Himmel, sind Sie deswegen hergekommen?
    Wollen Sie ihn auch für