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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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hier«, sagte er. »Müssen wir da über sie reden?«
    »Es ist wichtig«, sagte sie. »Es hat mit dem zu tun, was du über die Scheidung von ihr gesagt hast.«
    Hawley seufzte und legte sein Sandwich zurück in die Tüte. »Also los dann«, sagte er.
    »Ich denke mir, es wird sehr schwer sein, Cora in Amerika zu finden. Schließlich hat sie dir nicht mal den Namen des Mannes gesagt, mit dem sie davon ist, oder?«
    »Nein.«
    »Und du hast keine Ahnung, wer er gewesen sein könnte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich wusste über die Jahre von einigen ihrer Seitensprünge«, gab er zu, »und auch, mit wem sie zusammen war. Aber das jetzt war eine völlige Überraschung. Ich wusste nicht, dass sie sich mit jemandem traf. Im Gegenteil, eigentlich dachte ich, ein Großteil ihrer schlechten Laune hätte damit zu tun, dass es im Moment
niemanden
gäbe.«
    »Was es umso schwieriger macht«, sagte sie. »Vielleicht ist sie nicht mal mehr in Kalifornien, wenn sie überhaupt wirklich dorthin ist.«
    »Was versuchst du zu sagen, Ethel?«
    »Nur, dass wir, wenn wir uns irgendeine Hoffnung darauf machen, zu heiraten, es womöglich ohne Coras Zustimmung tun müssen. Du weißt schließlich, wie sie ist. Glaubst du wirklich, wenn wir sie aufspüren und ihr sagen, dass du dein Glück gefunden hast, wird sie dich einfach so ziehen lassen? Es ist gut möglich, dass sie versuchen wird, dir jedes nur erdenkliche Hindernis in den Weg zu legen.«
    Er nickte. »Das stimmt«, sagte er. »Aber ich sehe nicht, wie …«
    »Ich denke, wir sollten einfach so tun, als existierte Cora nicht mehr.«
    »Wie soll das …?«
    »Wir könnten sagen, sie ist gestorben.«
    »Ethel!«
    »Ich meine es ernst, Hawley. Wem müssen wir es denn sagen? Nicht vielen Leuten. Sie hat keine Verwandten, niemand wird nach ihr suchen. Freundinnen hat sie kaum, und wir wollen keine weiteren Vorfälle wie mit dieser schrecklichen Nash im Theater. Jedes Mal, wenn wir zusammen gesehen werden, setzen wir uns ähnlichen Grobheiten aus, und es ist nicht so, als könnten wir uns unser ganzes Leben hinter den Türen des Hauses am Hilldrop Crescent verstecken. Das würden wir sowieso nicht wollen. Wir wollen unser Leben genießen.«
    Hawley sah sie an. »Es stimmt, dass es leichter wäre«, sagte er. »Aber wie sollen wir damit durchkommen?«
    »Das ist einfach«, sagte sie. Sie hatte bereits alles durchdacht. »Wir schicken einer ihrer Freundinnen ein Telegramm und sagen, du hättest Nachricht aus Amerika bekommen, Cora sei tragischerweise gestorben. Daraufhin hättest du dich entschlossen, ein paar Tage wegzufahren, um den Verlust zu verarbeiten. Natürlich nimmt dich die Sache sehr mit. Dann kommen wir zurück und gehen ihren Freundinnen bewusst aus dem Weg. Wir brauchen sie nicht. Glaube mir, ich habe keine Ambitionen, in die Music Hall Ladies’ Guild aufgenommen zu werden.«
    »Aber wenn wir es auch verkünden«, sagte er, »ist es doch noch lange nicht so. Deshalb können wir immer noch nicht heiraten.«
    »Nein, aber du könntest in aller Ruhe versuchen, sie zu finden, und wenn du es nicht schaffst, müssen wir sehen, was wir machen. Jedenfalls kann niemand etwas dagegen einzuwenden haben, dass wir einander Gesellschaft leisten, wenn wir doch offenbar beide unverheiratet sind.«
    Er war skeptisch, doch Ethel gab nicht nach. Sie beugte sich zu ihm und nahm seine Hand.
    »Liebst du mich, Hawley?«, fragte sie.
    »Das weißt du doch.«
    »Dann vertraue mir. Als trauernder Witwer wirst du viel Mitgefühl erfahren, und bald schon können wir uns zusammen in der Öffentlichkeit zeigen. Der feinen Gesellschaft wird es egal sein, denn zu der gehören wir nicht. Wir leben einfach nur unser Leben, du und ich. Ohne von jemandem verdammt zu werden.«
    Sie diskutierten noch eine ganze Weile hin und her, bis Ethel ihn endlich überzeugen konnte, und am Abend gingen sie zur Gare du Nord und setzten ein Telegramm an Mrs Louise Smythson in London auf.
    Tragische Nachricht STOP Cora in Amerika gestorben STOP mit krankem Verwandten begraben STOP ein großer Verlust für uns alle STOP muss mich von dem Schock erholen STOP Hawley Crippen (Dr.)
    »Perfekt«, sagte Ethel und zahlte die paar Franc, die es kostete, das Telegramm abzuschicken, aus ihrer eigenen Tasche.
    »Ich hoffe es.«
    »Vertraue mir, Hawley. Ich weiß, es ist das Beste so. Diese Freundinnen von ihr können sie sowieso nicht ausstehen. Sie werden so tun, als träfe sie der Verlust schwer, und dann vergessen sie Cora und uns,

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