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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Sie sich wieder hin, und ich nähe Sie zusammen.«
    »Nähen mich …?«
    »Nun, so kann ich Sie nicht gehen lassen, oder?«, sagte Hawley mit einem breiten Grinsen. »Das Blut gerinnt erst, wenn ich die Wunde verschließe. Ein paar Stiche, und Sie sind wieder in Bestform.«
    Milburn wurde fast ohnmächtig. In Gedanken ging er all die schrecklichen Dinge durch, die er je in seinem Leben getan hatte, und fragte sich, ob das jetzt Gottes Strafe dafür war. Als Kind hatte er seinen jüngeren Bruder gnadenlos schikaniert und sich für einen Apfel vor jedem Mädchen der Klasse entblößt. Kürzlich war er die treibende Kraft hinter dem Zerwürfnis zwischen seiner Mutter und einem Gentleman gewesen, in den sie sich verliebt hatte, einem absolut anständigen Mann, der jedoch Milburns häuslichen Frieden und die selbstsüchtigen Aufmerksamkeiten bedroht hatte, die der Junge seiner Mutter abverlangte. Vor zwei Wochen hatte er aus der Kasse seines Onkels, an dessen Obststand er nach der Schule aushalf, zwölf Pence mitgehen lassen, und nachdem er nicht erwischt worden war, beschlossen, sich regelmäßig zu bedienen, bis er sich ein neues Fahrrad kaufen konnte. Vielleicht kehrten sich diese Missetaten jetzt gegen ihn, dachte er, als er sich erneut auf dem Stuhl zurücklehnte, und dann füllten sich seine Gedanken mit einem Bild seiner selbst, wie er in seinem Sarg lag, während Hawley das Loch, das er in Milburns Mund zurückgelassen hatte, fachmännisch mit acht Stichen schloss. Das Betäubungsmittel hatte praktisch alle Wirkung verloren, und der Junge schrie während der gesamten Prozedur. Es waren Schreie, die jedem normal empfindenden Menschen das Blut in den Adern hätten gerinnen lassen, Schreie, wie man sie sonst nur von hysterischen Geisteskranken kannte, nein, schlimmer noch. Aber Hawley vernahm sie kaum, so konzentriert war er bei der Sache, so stolz auf seine Fähigkeiten, so voller Liebe für die Kunst der Medizin, dass die Musik des Schmerzes nichts als eine Melodie war, zu der er arbeitete. Endlich gab er neuen Verbandsmull in den Mund des Jungen und sagte ihm, er solle zehn Minuten daraufbeißen. Als Milburn den Mull herausnahm, war er blutgetränkt, und der Anblick ließ ihn noch schwächer werden, doch dann spülte er den Mund aus und die Blutung war tatsächlich gestillt. Die Prozedur war endlich überstanden.
    »Sie müssen in einer Woche noch einmal kommen«, sagte Hawley, »damit ich den Faden wieder entfernen kann.« Milburn starrte ihn entsetzt an. »Keine Angst!« Hawley lachte. »Das dauert ungefähr dreißig Sekunden, und Sie spüren nichts davon.«
    Der Junge gab ihm die zwei Shilling für die Operation und taumelte ins Wartezimmer hinaus. Hawleys zweite wartende Patientin, die fünfzigjährige Frau, hatte geglaubt, der Ermordung des jungen Mannes zu lauschen, die sich in der hinter der Tür liegenden Kammer des Grauens vollzog, und war in heller Panik in die Nacht hinausgeflohen, entschlossen, lieber mit ihren Schmerzen zu leben, als sich den finsteren Passionen eines Sadisten auszuliefern.
    Hawley störte das alles nicht. Die Stunde, die er damit zugebracht hatte, Peter Milburns Mund in Ordnung zu bringen, der Gebrauch von Klingen, Pinzetten, Zangen und das Vernähen der Wunde hatten ihm eine beträchtliche Genugtuung verschafft. Nun wollte er nur noch die Praxis schließen und nach Hause zurückkehren, was er, nachdem er seine Werkzeuge gewaschen und zurück in das Desinfektionsmittel gelegt hatte, auch tat.
    Cora lag schon im Bett, als er nach Hause kam, da sie ihre Aktivitäten mit Signor Berlosci an diesem Nachmittag ziemlich erschöpft hatten, und sie sah ihn kaum an, als er hereinkam. Seit fast acht Monaten hatten sie nicht mehr miteinander geschlafen, aber heute war Hawley die High Holborn praktisch heruntergerannt und über die Tottenham Court Road geflogen, um zu seiner Frau zu kommen. Sie war überrascht, wie schnell er Jacke, Hemd und Hose auszog, wartete er doch normalerweise, bis sie schlief, bevor er sich neben sie ins Ehebett legte, und als er unter die Decken schlüpfte und den Kopf zwischen ihre Brüste drückte, hatte sie Mühe, ihr Abendessen bei sich zu behalten.
    »Hawley!«, rief sie. »Was um alles in der Welt soll das?«
    Er sah sie an, schließlich sollte doch wohl klar sein, was er wollte. »Weise mich nicht zurück, Cora«, bettelte er, obwohl er sich von dieser Frau, die er vor sechs Jahren geheiratet hatte, kaum noch angezogen fühlte. Sie sollte ihm nur etwas

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