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Der freundliche Mr Crippen | Roman

Der freundliche Mr Crippen | Roman

Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Sie nahm ihn nicht mehr ernst.
    »Mit wem sollte ich da sprechen?«, fragte die Frau nach einem unbehaglichen Schweigen, das sich über sie gesenkt hatte.
    »Sprechen? Worüber?«
    »Über die Stelle.«
    »Oh, die Stelle«, wiederholte er, als finge die Unterhaltung gerade erst an. »Entschuldigen Sie bitte, Miss«, fügte er dann aber einen Moment später schon hinzu. »Sie sind die erste Bewerberin, nachdem sich eine ganze Weile niemand gemeldet hat, deshalb überlegte ich gerade, womit ich anfangen soll.« Er runzelte die Stirn und war sich nicht sicher, ob er das hätte sagen sollen, schließlich war es nicht gut, wenn sie glaubte, er fände niemanden. »Lassen Sie mich ein frisches Blatt Papier nehmen, damit ich Ihre persönlichen Daten aufnehmen kann«, sagte er schließlich nervös und musste erst eine Weile in seinem Schreibtisch suchen, bis er eines fand. »Ihr Name?«, fragte er. »Damit fangen wir am besten an.«
    »Ethel LeNeve«, antwortete sie und buchstabierte den Zunamen für ihn: »L-e-N-e-v-e, mit einem großen L und einem großen N.«
    »LeNeve«, wiederholte er und schrieb es auf. »Und das ist Miss oder Mrs?«
    »Miss.«
    »Miss LeNeve. Und Ihre Adresse?«
    Sie gab sie ihm, und er kannte die Straße, ging er doch jeden Abend auf dem Weg zu seiner Praxis dort entlang. »Schön ruhig dort«, sagte er. »Sehr angenehm.«
    »Sie kennen die Straße?«
    »Ich betreibe abends eine kleine Zahnarztpraxis in Holborn und komme jeden Tag an Ihrem Haus vorbei. Sie wohnen bei den Eltern, nehme ich an?«
    Ethel schüttelte den Kopf. »Ich lebe allein«, sagte sie, was ihn überraschte, denn dass eine alleinstehende zwanzigjährige Frau (so alt war sie) in einer eigenen Wohnung lebte, konnte einen Skandal bedeuten. »Meine Eltern sind tot«, erklärte sie, »und haben mir die kleine Wohnung hinterlassen. Unten wohnt eine Witwe, der ich manchmal Gesellschaft leiste. Sie ist eine nette Lady, allerdings kommt es vor, dass sie mich mit ihrem Sohn verwechselt.«
    »Ihrem Sohn?«, fragte er überrascht.
    »Sie ist nicht mehr ganz so klar wie früher. Aber sie hat ein Herz aus Gold und behandelt mich sehr nett.«
    Hawley nickte erfreut, da es offenbar keinen Hinweis auf eine Unschicklichkeit gab, und fragte sich, ob man die Witwe Mr Munyon vorstellen sollte. Dann könnten die beiden ihre Senilität gemeinsam genießen und sich gegenseitig für einen Laternenpfahl oder eine Selleriestange halten. »Nun, Miss LeNeve«, sagte er, »bei der Stelle geht es um eine allgemeine Assistenz und um Schreibarbeiten. Können Sie Schreibmaschine schreiben?«
    »Das ist eine meiner Stärken«, sagte sie mit einem süßen Lächeln. »Vierzig Worte in der Minute waren es bei der letzten Zählung.«
    »Das ist sehr gut«, sagte er. »Wenn ich so schnell zu schreiben versuche, vertippe ich mich unweigerlich und muss wieder von vorn beginnen. So verbrauche ich stapelweise Papier. Natürlich ist es in einer Apotheke äußerst wichtig, dass wir bei unseren Rezepten keine Fehler machen. Wir wollen schließlich niemanden umbringen.«
    »Natürlich«, sagte sie und sah sich um. »Aber können Sie mir sagen, was genau für eine Apotheke das hier ist? Ich fürchte, ich weiß nicht viel über … homöopathische Medizin«, sagte sie und hatte mit dem Wort etwas zu kämpfen.
    Hawley entspannte sich, genoss ihre angenehme Gegenwart und begann die Rede, die er bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder halten musste: über die Geburt der Homöopathie in Japan vor Tausenden von Jahren, ihre noch junge, schrittweise Aufnahme in die westliche Kultur, ihre Anwendungsweisen und ihre Vorteile. Er verzichtete darauf, seinem eigenen fehlenden Glauben an ihre Heilkräfte Ausdruck zu geben, die gestand er niemandem ein, nicht einmal seiner Frau. Und Ethel schien fasziniert von dem, was er sagte. Sie sah ihn an und las ihm jedes Wort von den Lippen ab. Als er schwieg, war sie begeistert.
    »Das ist ja faszinierend«, sagte sie. »Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Alternativen zu einem Arztbesuch gibt. Um ehrlich zu sein, fürchte ich mich ein wenig vor Ärzten. Manchmal frage ich mich, ob sie wirklich wissen, was sie tun. Wenn man es sich recht überlegt, könnte sich jeder mit einer Praxis niederlassen, behaupten, er hätte einen medizinischen Abschluss, und dann die Hälfte seiner Patienten umbringen, aus Unvermögen oder in voller Absicht.«
    Hawley lächelte und begriff, dass er sich selbst noch nicht vorgestellt hatte. »Ich bin übrigens selbst

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