Der Frevel des Clodius
ich. Die Taverne war eine von Hunderten in der Stadt. Strenggenommen war es verboten, nach Sonnenuntergang geöffnet zu haben, aber heute war ein Feiertag, und außerdem kümmerte sich ohnehin niemand um das Gesetz. Wir fanden einen Tisch und machten uns wenig später über geröstete Ente mit Früchten und Weißbrot her, die wir mit einem harzigen, hiesigen Wein hinunterspülten. Ich berichtete Milo von dem seltsamen Zwischenspiel mit Caesar.
»Das ist ein ganz Merkwürdiger, dieser Caesar«, sagte er.
»Aber er ist wie eines dieser Pferde im Circus, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen und das Rennen gewinnen, während du dein ganzes Geld auf die Favoriten gesetzt hast.«
»Ich glaube, du hast recht«, sagte ich und nahm mir eine Handvoll Feigen. »Bis jetzt habe ich ihn immer als posierenden Hanswurst abgetan. Wie jeder. Aber er steckt hinter der ganzen Sache.«
»Hinter welcher Sache?« fragte Milo alarmiert.
Ich analysierte ihm Neros Brief auf meine Weise. »Clodius glaubt, das Ganze sei sein Verdienst, und Pompeius und Crassus halten sich zweifelsohne jeweils für das dominante Mitglied dieses - dieses Triumvirats, aber in Wirklichkeit ist es Caesar, der die Zügel in der Hand hält.« Dieses Bild aus der Welt des Wagenrennens schien mir die beste Art, Caesars Position in dem Arrangement zu beschreiben.
Milo lehnte sich zurück, und ich konnte die kleinen Rädchen in seinem Kopf förmlich rotieren sehen, während er diese Information auf ihren politischen Gehalt untersuchte.
»Vielleicht hat seine Nichte recht«, sagte Milo schließlich.
»Vielleicht versucht er tatsächlich, dafür zu sorgen, daß die beiden anderen während seiner Abwesenheit Frieden halten.«
»Das ist sicher Teil seines Kalküls. Aber wenn er zurück ist, werden die drei sich an die Kehle gehen. Drei solche Männer können nicht lange friedlich als Kollegen zusammenarbeiten: ein General, ein Finanzier und ein... was immer Caesar auch sein mag.«
»Ein Politiker«, sagte Milo. Es war ein neues Wort. Ich glaube, Milo hat es erfunden. »Er ist ein Mann, dessen einzige Qualifikation seine Fähigkeit ist, Leute zu manipulieren. Wie du richtig bemerkt hast, bringt er außer einem erdrückenden Schuldenberg und mangelnder militärischer Erfahrung bei dem Handel nichts ein. Aber das macht nichts. Er benutzt das System selbst, um Bedeutung zu erlangen.«
»Er unterschätzt den Senat«, sagte ich.
»Wirklich?« Milos offene, aber unaufdringliche Verachtung für die Weisheit und Macht des Senats erschütterte meinen Glauben daran mehr als alle anderen Erfahrungen der jüngsten Zeit.
Ich griff unter meine Tunika und zog den Briefbehälter hervor. »Wenn ich dies enthülle, werden sie entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen. Zugegeben, der Senat ist lasch und korrupt geworden, aber sie können nicht zulassen, daß diese Männer nach der Macht greifen. Die Ambitionen Caesars, Pompeius' und Crassus' werden diese Schmach nicht überleben.«
»Hoffentlich«, sagte er.
Wir aßen eine Weile schweigend. »Wo wir gerade vom Senat reden«, sagte Milo, »wenn du wirklich dumm genug bist, dort hinaufzugehen und Pompeius entgegenzutreten, solltest du das besser tun, solange die Senatoren noch nüchtern genug sind, dir zu folgen.«
»Du hast recht«, sagte ich. »Es wird spät.«
Wir standen auf und gingen. Zu meiner Überraschung waren die Straßen noch immer völlig verstopft. Mit einigen Schwierigkeiten bahnten wir uns den Weg über das Forum und begannen den Aufstieg zum Capitol. Weiter oben flackerten grell die Fackeln, und man konnte ein heiseres Geschrei vernehmen, das zumindest teilweise aus menschlichen Kehlen stammte.
»Was ist denn da los?« sagte ich. »Der Triumphzug muß doch schon vor Stunden beendet gewesen sein.« Ich hatte eine schreckliche Vorahnung, daß es eine überraschende Änderung gegeben hatte.
»Wir fragen jemanden«, sagte Milo gewohnt praktisch. Er packte einen Bürger am Arm und stellte die gebotene Frage.
»Pompeius kommt wieder zurück«, sagte der Mann. »Vor einer Stunde hat sich die Nachricht verbreitet, daß er etwas Außergewöhnliches plant!«
»Er hat das Bankett abgekürzt!« sagte ich. »Es hätte bis Mitternacht gehen sollen!«
Milo grinste. »Aber dann würden die meisten Bürger schon schlafen und könnten ihren Helden nicht mehr bewundern.«
»Ich muß da hoch!« rief ich. »Wenn ich es nicht bis zum Tempel schaffe, bevor die Senatoren aufbrechen, wird es Tage dauern, bis ich sie wieder alle
Weitere Kostenlose Bücher