Der Frevel des Clodius
mir etwas anderes auf: Gift war nicht sein Stil. Was immer man gegen Clodius sagen konnte, er war stets gewillt, seine Feinde eigenhändig und in aller Öffentlichkeit umzubringen.
Aber wer sonst sollte mein tödlicher Feind sein? Ich hatte in letzter Zeit niemanden beleidigt. Nur ein Verrückter wie Clodius pflegt sein Groll über Jahre und wartet auf seine Chance zuzuschlagen. Mit den meisten meiner Feinde hatte ich Frieden geschlossen, und der Rest schien mich vergessen zu haben. Das Ganze war ziemlich rätselhaft.
Ich schaffte es, unermordet zu Hause anzukommen, und schickte nach Hermes. Mein betagter Sklave Cato begann, gluckend zu klagen.
»Es wird nichts Gutes dabei herauskommen, diesen Lümmel im Haus zu haben, Herr. Er wird am Kreuz enden.«
»Höchstwahrscheinlich. Aber bis zu jenem traurigen Tag wollen wir sehen, wofür er nützlich sein könnte. Schick ihn rein, Cato.«
Hermes kam grinsend hereinstolziert, als habe er eine lobenswerte Heldentat vollbracht. Es hätte mich erstaunt zu erfahren, daß er etwas halbwegs Ehrliches getan hatte, aber Sklaven sehen die Dinge anders als Freigeborene. Hin und wieder muß man ihnen ihren Willen lassen.
»Was hast du zu berichten?« fragte ich ihn.
»Ich bin deinem Freund von dem Abendessen gefolgt, wie du mir es befohlen hast. Er mußte unterwegs zweimal stehenbleiben, um sich zu übergeben.«
»Das ist seltsam«, sagte ich. »So reichhaltig war das Abendessen nun auch wieder nicht, und die Trinkerei hatte kaum richtig angefangen, als Capitos Ermordung die Runde auflöste. Muß das erste Mal gewesen sein, daß er versucht hat, jemanden umzubringen. Vielleicht war er deswegen nervös.«
»Ha! Dann gibst du also zu, daß ich dir das Leben gerettet habe!« krähte Hermes.
»Noch nicht. Ich lasse das Gebäck gerade untersuchen. Fahre mit deinem Bericht fort.«
»Ich folgte ihm vorbei am Circus und den Palatin hinauf zu einem großen Stadthaus...«
»Ich hab's gewußt!« sagte ich. »Er ist zu Clodius' Haus gegangen, um zu berichten, daß der Mordversuch gegen mich fehlgeschlagen ist. Ich wünschte, ich hätte Clodius' häßliches Gesicht sehen können, als er die Nachricht erfuhr!« Dann bemerkte ich, daß Hermes' Gesicht jenen selbstgefälligen Ausdruck angenommen hatte, den Sklaven bekommen, wenn sie etwas wissen, was man selbst nicht weiß.
»Er ist nicht zum Haus von Clodius gegangen, Herr.«
»Zu wessen dann?« wollte ich wissen. »Er ist zum Haus deines Verwandten Metellus Celer gegangen.«
V
Ich glaubte nicht wirklich, daß Celer versuchte mich umzubringen. Wir standen gut miteinander, und er war eng mit meinem Vater befreundet. Ich hatte allerdings nicht vergessen, mit wem er verheiratet war. Es war Jahre her, seit Clodia zum letzten Mal versucht hatte, mich ermorden zu lassen, und ich wußte nicht, warum sie mich jetzt noch beseitigen lassen sollte.
Der einzig mögliche Grund war, daß sie annahm, ich würde ihren Bruder bedrohen, für den sie weit mehr als nur schwesterliche Zuneigung empfand.
All diese Dinge beschäftigten mich sehr, als ich mich für den Tag vorbereitete. Diesmal vergaß ich nicht, mir meinen Dolch und meinen Caestus unter die Tunika zu stecken. Sicher war sicher. Begleitet von Hermes machte ich mich auf den Weg zu Celers Haus. Ich hatte nicht die Absicht, ihn auf Neros Machenschaften anzusprechen. Ich hatte keinen konkreten Beweis, daß ein Mordversuch stattgefunden hatte. Ich wollte abwarten und die Augen offenhalten.
Ich ließ mich von einem Straßenbarbier an der Ecke rasieren und begann meinen Aufstieg zum Palatin. Ich hatte eben den Fuß des Hügels erreicht, als ich eine gut gekleidete Gruppe erblickte, die, angeführt von einem finster dreinschauenden Celer, in Richtung Forum marschierte. Er würdigte mich keines Blickes, und ich hatte nicht vor, seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Ich hatte diesen Gesichtsausdruck schon in Gallien gesehen, und er bedeutete für gewöhnlich, daß Verräter hingerichtet werden sollten. Ich schloß mich der Schar seiner Klienten an.
Unter ihnen sah ich auch einen gleichfalls düster vor sich hinstarrenden Caesar. Schließlich entdeckte ich meinen adoptierten Cousin, den Pontifex Scipio Nasica, und trat an seine Seite.
»Was ist geschehen?« fragte ich ihn leise. »Wir wissen es nicht«, erwiderte er ebenso gedämp ft. Alle sahen aus, als sei etwas Schreckliches passiert. »Während des morgendlichen Empfangs kam auf einmal ein Bote. Er nahm Caesar und Celer beiseite und sprach
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