Der Frevel des Clodius
längst auf einem schnellen Pferd nach Messina, von wo er sich nach Sizilien einschiffen und hinter der Immunität seines Amtes verbergen konnte, bis sich die Aufregung in Rom wieder gelegt hatte.
Gegen Mittag ergab sich ein bemerkenswerter Wortwechsel.
Inzwischen hatte jeder irgendeine Version der Ereignisse gehört, bis zur Unkenntlichkeit entstellt von denjenigen, die nicht dabei waren, oder von solchen, die es waren, später aber zu viel Angst hatten, die Wahrheit zu sagen. Ich bin der einzige noch lebende Mensch, der an jenem Tag dabei war, und erzähle, wie sich die Dinge zugetragen haben, und nicht, wie es die römische Legende schließlich darzustellen pflegte.
»Gaius Julius«, sagte der Konsul Messala Niger, »ohne von verbotenen Dingen zu sprechen, weißt du, ob eine der gestern nacht anwesenden Damen eine Ahnung hat, was Clodius im Schilde führte, als er als Frau verkleidet in dein Haus eingedrungen ist?« Das wollte jeder wissen.
»Meine Mutter, die Dame Aurelia, hat mir erzählt, daß davon die Rede war, Clodius habe sich heimlich Zutritt verschafft, um seine Affäre mit Pompeia voranzutreiben.« Er richtete sich so gerade und hoch auf, daß ich argwöhnte, er würde den Kothurn eines Schauspielers an den Füßen tragen. »Ich habe deshalb beschlossen, mich unverzüglich von Pompeia scheiden zu lassen!«
Celer stand auf. »Du solltest nichts überstürzen, Gaius Julius.
Zwischen deiner Frau und Clodius spielt sich gar nichts ab. Er wollte einfach die Riten belauschen. Der Idiot hat schon seit Tagen von nichts anderem geredet.«
Dann machte Caesar gewissermaßen Geschichte. Er ließ seinen Blick wie ein Adler über die Reihen wandern. »Es ist gut möglich, daß sie unschuldig ist, aber das ist unwesentlich.
Caesars Frau muß über jeden Verdacht erhaben sein.« Man hätte in der Curia eine Stecknadel fallen hören können. Die Erscheinung eines Gottes in unserer Mitte hätte nicht überwältigender sein können.
Einer der vielen Flüche meiner Existenz ist von jeher mein Lachen gewesen, ein schrilles und heiseres Lachen, das bei mehr als einer Gelegenheit mit dem Wiehern eines wilden Esels verglichen worden ist. Ich konnte mir nicht helfen. Ich hielt es, so lange ich konnte, zurück und platzte dann los, als der Schmerz des Unterdrückens unerträglich wurde. Es begann als ein schnaufendes Pfeifen, oben in meiner aristokratischen metellischen Nase, und brach im nächsten Moment hervor wie eine ganze Lastkarawane der Legion, die nach ihrer Haferration verlangt.
Sofort war der ganze Senat von Lachkrämpfen geschüttelt.
Säuerliche alte Politiker, die im Jahr maximal einmal schmunzeln, krümmten sich vor Lachen. Den ehrwürdigen Pontificis rollten dicke Tränen über die faltigen Wangen. Und draußen vor der Kammer kugelten sich die Tribunen so hilflos vor Lachen, daß sie nicht einmal ein Veto hätten einlegen können, wenn wir die Enthauptung jedes Plebejers in Rom beschlossen hätten. Ich bin sicher, daß ich sogar Cato habe lächeln sehen.
Weil er heute als Gott verehrt wird, glauben die Leute, daß Gaius Julius von frühester Jugend an demütige Ehrfurcht entgegenschlug. Nichts läge der Wahrheit ferner. Er war damals vierzig Jahre alt, hatte sich weder militärisch noch politisch ausgezeichnet und wurde lediglich von den Volksversammlungen verehrt, wo er es verstand, sich einzuschmeicheln. Im Senat war er ein Niemand. Er hatte sich den Aufstieg zum obersten Priester mit Bestechungsgeldern erkauft und war berüchtigt für seine Ausschweifungen und seine fragwürdige Moral. Nur in zwei Punkten war man sich über Gaius Julius allgemein einig: Er hatte den größten Schuldenberg der Weltgeschichte angehäuft und es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit König Nicometer von Bithynien getrieben.
Eine derart unglaublich frömmlerische Erklärung aus dem Munde dieses Mannes zu hören, ließ den Senat in Lachsalven ausbrechen. Inmitten all der Heiterkeit stand Caesar mit ausdruckslosem Gesicht wie ein Denkmal seiner selbst. In späteren Jahren hat mich die Frage, ob er sich wohl daran erinnerte, wer an jenem Tag angefangen hatte zu lachen, zahlreiche schlaflose Nächte gekostet.
Die Sitzung ging zu Ende, ohne daß ein Beschluß gefaßt worden wäre. In Windeseile hatte sich die Geschichte in der Stadt verbreitet. Noch Monate später spielten Komiker auf der Bühne und Kritzeleien an den Mauern auf Caesars berühmtes Diktum an. Jedesmal wenn ein Gespräch erlahmte oder ein
Weitere Kostenlose Bücher