Der Frevel des Clodius
allem ein Tempel für Frauen war. Hunderte von Kindern in makellos weißen Tuniken übten ihre Rollen für die anstehenden Zeremonien.
Trotz meiner tödlich ernsten Mission blieb ich stehen, um den Kleinen zuzusehen.
Ungeachtet Milos zynischer Worte, die, wie ich im tiefsten Innern meines Herzens wußte, im wesentlichen zutreffend waren, fühlte ich mich bei solchen Gelegenheiten und an solchen Orten im Herzen des römischen Lebens. Wenn ich diesen Frauen und ihren Kindern zusah, wie sie sich unschuldig, aufmerksam und warmherzig auf die uralten Rituale vorbereiteten, fand ich es schwer zu glauben, daß Männer mit bösen Absichten gleichermaßen alte und ehrwürdige Institutionen wie den Senat und die Legionen benutzen konnten, um ihre selbstsüchtigen Ziele zu verfolgen.
In dem Labyrinth von Kellern und Außengebäuden fand ich das überfüllte Quartier der curulischen Aedilen. In einem Raum voller Täfelche n, alten Papyrus-Rollen, verrotteten Geldsäcken und ranzigen Kerzen spürte ich den Aedilen Lucius Domitius Ahenobarbus auf. Er blickte von seinem Stapel Hauptbücher auf, als ich eintrat, stand eilig auf und griff meinen Arm.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin. Alles ist mir lieber als diese Rechnungen und Verträge. Ich wollte gerade einen Mann zu deinem Haus schicken. Heute morgen habe ich etwas über die Ermordete herausgefunden.«
»Fantastisch!« sagte ich. »Wer war sie?«
»Sie stammte von einem Anwesen in der Nähe der Stadt, wo sie als Sklavin geboren, jedoch vor sechs Jahren freigelassen wurde.«
»Wessen Anwesen?« fragte ich. »Wer hat sie freigelassen?«
»Gaius Julius Caesar«, sagte er.
Irgendwie überraschte mich das nicht. Ich kam immer wieder auf Caesar zurück. Caesars Haus, Caesars Schulden, Caesars ehrgeizige Ziele. Jetzt Caesars Freigelassene. Vielleicht sollte man auch noch Caesars bedauernswerte Frau dazunehmen, die über jeden Verdacht erhaben sein mußte. Ihr Gatte war es jedenfalls nicht. Durch Pompeius und Clodius war ich so abgelenkt gewesen, daß ich Caesar nicht die Aufmerksamkeit gewidmet hatte, die er verdiente. Und ich muß gestehen, daß ich auch gezögert hatte, ihn zum Hauptverdächtigen zu machen, weil er mit Julia verwandt war.
Ich war nicht so total vernarrt in sie wie einst in Clodia, aber ich spürte, daß sie jemand war, der meine seltsamen Neigungen teilte. Außerdem strahlte sie eine Güte und Anständigkeit aus, die unter römischen Frauen rar wurde, zumindest unter den intelligenten. Caesars vermeintlicher Vorschlag einer Verheiratung hatte mich von meinen Pflichten abgelenkt. Es gab keinen Grund, einen Beteiligten von jedem Verdacht auszunehmen, ausgenommen den Beweis seiner Unschuld.
Meine privaten Gefühle und Wünsche durften da keine Rolle spielen.
So viel zum idealtypischen, unerschütterlichen Diener der Republik. Ich hingegen mußte mit Decius Caecilius Metellus dem Jüngeren vorliebnehmen, einem Mann, dessen Empfänglichkeit für weibliche Reize geradezu legendär war.
Und Julia hatte erwähnt, daß ihr Onkel mehr als nur beiläufiges Interesse an mir und meinen Aktivitäten nahm.
Als ich den Tempel der Ceres verließ, schmerzte mein Kopf.
Warum mußte alles so kompliziert sein? Und schlimmer noch, ich steckte mit meinen Ermittlungen offenbar in einer Sackgasse. Ich hatte mit Ausnahme von Pompeius persönlich alle Beteiligten befragt, und er war der eine Mann, den zu ärgern ich nicht vorhatte. Dann fiel mir ein, daß es noch eine weitere Beteiligte gab, die ich noch zu verhören hatte. Und sie war kaum in der Position, mir irgendwelchen Kummer zu bereiten, was meiner Stimmung sehr zupaß kam. Größeren Herausforderungen fühlte ich mich zur Zeit nicht gewachsen. Ich machte mich auf den Weg zu Lucullus' Haus.
Der Majordomus kam auf mich zu, als ich das Atrium betrat.
»Kann ich dir helfen, Senator? Mein Herr und meine Herrin sind im Moment leider nicht zu Hause.«
»Das macht nichts. Man hat mich beauftragt, die Unerfreulichkeit im Hause des Pontifex maximus zu untersuchen.«
»Ja, mein Herr hat uns davon in Kenntnis gesetzt und die Anweisung erteilt, dir in jeder gewünschten Weise behilflich zu sein.« Das war umsichtig von Lucullus.
»Ausgezeichnet. Man hat mir berichtet, daß zu eurem Personal auch eine Sklavin gehört, die Harfe spielt, und daß es diese Frau war, die den Eindringling zuerst entdeckt hat. Ihr würde ich gern ein paar Fragen stellen.«
»Ich werde sie sofort holen, Senator.« Der Majordomus führte
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