Der Frevel des Clodius
mich in ein kleines, zum Garten liegendes Wartezimmer und eilte davon. Es kam mir seltsam vor, daß ein so ranghoher Dienstbote wie der Majordomus eines großen Hauses sich selbst um eine derartige Angelegenheit kümmerte, statt einen aus der Legion der Sklaven damit zu betrauen, die, offenkundig unter Arbeitsmangel leidend, herumlungerten. Als er zurückkehrte, begriff ich. Er wurde nicht von einer, sondern von zwei Frauen begleitet. Die eine war eine hübsche junge Griechin in einem schlichten Hemdkleid. Die andere war eine Dame mittleren Alters in einem reichverzierten Gewand, deren Gesichtszüge denen von Lucullus ähnelten.
»Ich bin Licinia«, sagte die ältere Frau, »die älteste Schwester des General Lucullus. Mein Bruder hat mich angewiesen, dir alle nur erdenkliche Hilfe zukommen zu lassen, aber ich muß an dieser Befragung teilnehmen, um sicherzugehen, daß dieses Mädchen nichts Verbotenes enthüllt.«
»Dafür habe ich volles Verständnis, meine Dame«, sagte ich.
Was für eine An, eine Ermittlung zu führen, dachte ich. Ich nahm auf einem der Stühle Platz, und die beiden Frauen setzten sich auf die Bank gegenüber. Das griechische Mädchen sah nervös aus wie die meisten Sklaven, wenn sie von jemand mit Amtsgewalt befragt werden.
»Also, meine Liebe, du mußt überhaupt keine Befürchtungen haben. Ich möchte lediglich den genauen Ablauf der Ereignisse rekonstruieren, wie sie sich in jener Nacht zugetragen haben.
Niemand verdächtigt dich irgendeines Vergehens. Zuerst einmal, wie heißt du?«
»Phyllis, mein Herr.« Sie lächelte schüchtern.
»Und du bist Musikerin?«
»Ja, mein Herr, Harfenistin.«
»Und als solche bist du auch in der Nacht der Riten der Bona Dea engagiert gewesen? Diese Fragen kommen dir vielleicht ein bißchen einfältig vor, aber so würden sie auch bei einem Prozeß gestellt werden.«
»Ich verstehe, mein Herr. Ja, ich war dort, um Harfe zu spielen.« »Gut. Wann genau hast du entdeckt, daß sich ein Mann bei den Riten eingeschlichen hatte?«
»Es war, als...« Sie warf der älteren Frau einen kurzen Blick zu, die sie mit stechenden Augen fixierte. »Nun, es war zu einem Zeitpunkt, als wir Musikerinnen gerade Pause hatten. Ich blickte zu einer Tür zum Flur und sah die Kräuterfrau und ihren Begleiter. Die Kräuterfrau blieb in der Halle stehen, aber ihr Begleiter kam weiter ins Atrium. Die Kräuterfrau ergriff seinen Arm, als wolle sie ihn zurückhalten, aber er riß sich los und betrat das Atrium. Da habe ich ihn erkannt.«
»Ich verstehe, ich habe von anderen gehört, daß er verschleiert war. Gab es denn genug Licht, um zu erkennen, daß es sich um einen Mann handelte?« ein, mein Herr. Es war mehr sein Gang. Weißt du, ich habe Clodius oft in diesem Haus gesehen, wenn er seine Schwester, meine Herrin Claudia, besuchte. Ich war mir ganz sicher, daß er war; dann erkannte ich den Ring an seiner Hand und rief, daß ein Mann im Raum sei.
Die Mutter des Pontifex maximus riß ihm den Schleier vom Gesicht. Danach gab es ein großes Geschrei.«
»Das kann ich mir vorstellen. Und sie waren eben erst gekommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »O nein, Herr. Sie müssen schon eine ganze Weile dagewesen sein. Ich habe sie am frühen Abend zusammen mit den anderen Damen eintreffen sehen.«
»Was? Bist du sicher?«
»Oh, absolut, mein Herr. Ich habe in diesem Jahr das dritte Mal Harfe bei den Riten gespielt und die Kräuterfrau an ihrem purpurnen Gewand erkannt.«
Ich versuchte, meine Selbstverfluchungen mit zusammengebissenen Zähnen zu unterdrücken. Das kam davon, wenn man Informationen aus zweiter Hand zuviel Glauben schenkte. Irgend jemand stellt eine falsche Vermutung an, und weil niemand ihr widerspricht, nimmt sie nach und nach den Rang einer Tatsache an. Hätte ich dieses Mädchen als erste befragt, hätte ich meine Fakten gleich auf der Reihe gehabt, und die Kräuterfrau könnte möglicherweise noch leben. Mir wurde klar, daß ihr purpurnes Gewand ihr berufliches Markenzeichen war, daher auch der Name, Purpurea. Dann kam mir ein weiterer Gedanke.
»Du hast die Kräuterfrau an ihrem Gewand und nicht an ihrem Gesicht erkannt?«
»Sie trug ebenfalls einen Schleier, Senator.«
»Es scheint ja eine ganze Reihe Schleier gegeben zu haben in jener Nacht. Clodius natürlich, jetzt Purpurea. Faus ta soll ebenfalls verschleiert gewesen sein, wie ich gehört habe.«
»Dann hast du etwas Falsches gehört, Senator«, sagte Licinia.
»Die Dame Fausta«, sie stieß jenes
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