Der Frevel des Clodius
angedeutete Schnauben aus das hochgeborene Frauen von sich geben, wenn sie ihre skandalumwitterten Schwestern erwähnen, »war in jener Nacht hier im Haus von Lucullus.«
»Und du hast nicht an den Riten teilgenommen?«
»Ich habe mich an dem Abend nicht wohl gefühlt. Was Fausta angeht, zeigt sie keinerlei Respekt für Religion und mag auch nicht an den einleitenden Zeremonien teilnehmen, wie es sich für unverheiratete Frauen ziemt.«
Jetzt standen die Argumente für Faustas Anwesenheit eins zu zwei. Aber diese eine Stimme war Julias, und ich zögerte noch, ihre Aussage einfach zu verwerfen. Ich erhob mich.
»Vielen Dank. Ich glaube, daß sich die Aussagen für meine Ermittlungen als sehr nützlich erweisen werden.«
»Gut«, sagte Licinia. »Es muß einen Prozeß geben. Wohin soll es mit Rom noch kommen, wenn wir es zulassen, daß unsere heiligen Rituale verletzt werden? Die Götter werden furchtbare Rache nehmen.«
»Das dürfen wir auf keinen Fall riskieren«, sagte ich. Dabei interessierte mich der Frevel selbst nicht mehr im geringsten.
Ich mußte unbedingt herausfinden, was sich in jener Nacht sonst noch ereignet hatte. Ich war im Begriff zu gehen, wandte mich aber noch einmal um. »Phyllis?«
»Ja, mein Herr?«
»Du hast gesagt, Clodius und die Kräuterfrau standen im Eingang zum Flur. Weißt du, wohin dieser Flur führt?«
»Es ist einer der Korridore, die in den hinteren Teil des Hauses führen, Senator.«
»Wohin sich die unverheirateten Frauen zu einem bestimmten Zeitpunkt der Zeremonie zurückziehen?«
»Das Mädchen dachte einen Moment lang nach. »Nein, der Raum liegt auf der anderen Seite des Hauses. Der Flur, in dem ich die beiden gesehen habe, führt zu den Wohnräumen des Pontifex maximus. In den vorherigen Jahren mußten wir Sklaven dort warten, wenn wir nicht gebraucht wurden.«
»Aber in diesem Jahr nicht«, sagte ich.
»Nein, Senator.«
Ich bedankte mich bei den beiden Frauen und verließ das Haus. Ich tappte noch immer völlig im dunkeln, war aber auch aufgeregt. Ich war mir sicher, jetzt ein entscheidendes Indiz in der Hand zu haben, das das Rätsel um diesen denkwürdigen Abend lösen würde, wenn ich nur herausfinden würde, wie es ins Bild paßte.
Hermes wartete vor dem Tor. Er hatte die Gelegenheit genutzt, meine Badesachen nach Hause zu bringen. Er schloß sich mir an, und nach ein paar Minuten bemerkte ich, daß er mich nachäffte, den Kopf beim Gehen gesenkt und die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ich blieb stehen.
»Willst du dich über mich lustig machen?« wollte ich wissen.
»Wer, ich?« Er riß, ganz verletzte Unschuld, die Augen auf.
»Man sagt, daß Sklaven nach einer Weile immer genauso aussehen wie ihre Herren, Herr. Das muß es sein.«
»Das will ich schwer hoffen«, warnte ich ihn. »Ich lasse mich nämlich nicht respektlos behandeln.«
»Aber natürlich nicht, Herr!« rief er. Wir gingen weiter.
»Aber ich frage mich, Herr, diese ganzen Befragungen und Mordversuche und all das - was hat das zu bedeuten?«
»Ich bin berühmt dafür, genau das herauszufinden«, sagte ich.
»Und hast du es herausgefunden?«
»Nein, aber ich erwarte, bald alles geklärt zu haben. Ich brauche nur noch ein bißchen Zeit friedlichen Nachdenkens.«
»Ich weiß ja nicht, wie es dir geht«, sagte er bedeutungsvoll »aber ich denke nie besonders gut mit leerem Magen.«
»Jetzt, wo du es erwähnst, fällt mir auf, daß das Frühstück schon eine Weile zurückliegt. Laß uns sehen, was dieses Viertel zu bieten hat.« Glücklicherweise muß man in Rom nie lange suchen, wenn man etwas essen will. Wenig später hatten wir Brot, Würste, eingelegten Fisch, Oliven und einen Krug Wein erworben und uns zur Erholung unserer geistigen Fähigkeiten in einen öffentlichen Park zurückgezogen. Wir ließen uns auf einer Bank nieder und beobachteten das muntere Treiben, während wir uns über das Essen hermachten und den Weinkrug leerten.
Auf den Straßen herrschte außergewöhnlich dichter Verkehr, und viele Händler bauten ihre Stände auf.
»Beim Jupiter«, sagte ich. »Morgen ist Pompeius' Triumph!
Das hätte ich fast vergessen. Sie bauen jetzt schon auf, um morgen gute Plätze zu haben.«
»Wie ich höre, soll es ein tolles Spektakel werden«, sagte Hermes eifrig nickend und kauend.
»Das kann man auch verlangen«, sagte ich. »Schließlich hat er die halbe Welt beraubt, um es zu finanzieren.«
»Dazu ist die Welt doch schließlich da, oder nicht? Um das Leben der Römer
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