Der Friedhofswächter
von links.
Lautlos zählte er ab, nickte zufrieden und machte sich auf den Weg. Obwohl er allein im Haus war, ging er auf Zehenspitzen weiter. Ein dicker Teppich verschluckte seine Schritte. Der Lichtkegel wies ihm den Weg, und er blieb auch auf der Mitte des Türblatts hängen, auf das es Tidy ankam.
Die Klinken besaßen eine besondere Form. Sie lagen gut in der Hand. Er öffnete die Tür.
Sie schwang lautlos vor ihm zurück. Ein muffiger Geruch schlug ihm entgegen. So roch es immer, wenn Menschen lange nicht mehr in einem Raum gelebt hatten.
Auf der Schwelle blieb er stehen. Die Lampe hatte er ausgeschaltet, nur sein Schattenriß war zu sehen, aber es war niemand, der ihn erwartet hätte.
Ein leerer Wohnraum lag vor ihm.
Tidy leuchtete ihn aus und konzentrierte sich auf die Bilder. Es waren die richtigen.
Die Gemälde besaßen unterschiedliche Größen. Dementsprechend gestalteten sich auch die Rahmen, auf die der Einbrecher aber verzichten sollte. Seinem Kunden ging es einzig und allein um die Bilder. Die sollte er auch bekommen.
Tidy verstand von dem Zeug nicht viel. Er konnte sich aber vorstellen, daß die oft jahrhundertealten Bilder sehr wertvoll waren. Er hatte mal darüber gelesen.
Der Einbrecher zählte die Gemälde und kam auf die Zahl zehn. Da hatten sie beide ganz schön zu tun, wenn sie die aus dem Rahmen lösen wollten. Das mußte auch Ed wissen.
Tidy holte das Sprechgerät aus der Tasche und wollte es schon einschalten, als er hinter sich eine zischende, fast böse klingende Stimme hörte.
»Laß es!«
Gleichzeitig flammte Licht auf!
***
Der Einbrecher stand wie erstarrt da. Mit dieser bösen Überraschung hatte er nicht gerechnet. Alles war so gut vorbereitet gewesen. Die Stimme gehörte einem Fremden, möglicherweise sogar dem Hauseigentümer.
Tidy wollte sich umdrehen, aber der Mann hinter ihm hatte etwas dagegen. »Ich habe nichts davon gesagt, daß du dich bewegen sollst!« flüsterte er. »Also bleib stehen!«
»Okay.«
Über Tidy brannte Licht. Es war eine große Lampe mit sechs Schalen, die das Zimmer bis in den letzten Winkel ausleuchtete. Tidy überlegte, ob der Mann eine Waffe besaß oder nur bluffte. Und während er noch nachdachte, schlich sich einer an ihn heran. Tidy spürte einen harten Druck im Rücken, wie er eigentlich nur von einer Waffenmündung stammen konnte.
»Das hier ist ein geladenes Jagdgewehr, du miese Ratte. Damit puste ich dich ins Jenseits.«
»Okay, Mann, okay, ich bin schon ruhig.«
»Das wollte ich dir auch geraten haben. Aber wir werden uns trotzdem unterhalten. Du wolltest hier stehlen, nicht?«
»Ja.«
»Und was?«
»Die Bilder.«
»Wie schön.« Der Typ hinter Tidy lachte. »Dann hat man dich also geschickt.«
»So ist es.«
»Und wer war es?«
»Das kann ich nicht sagen, ich…«
Der Besitzer unterbrach ihn. »Ich kann dir die erste Kugel in den Oberschenkel schießen, die zweite in die Schulter, mit der dritten rasiere ich dir ein Ohr ab…«
»Verdammt, ich weiß es doch nicht. Der hat seinen Namen nicht gesagt. Wir kennen uns nur vom Telefon.«
»Und er hat dich also hergeschickt?«
»Ja.« Nach dieser Antwort überlegte Tidy. Der Mann hatte nur von ihm gesprochen. Ob er von Ed nichts wußte? Das wäre unter Umständen eine Chance gewesen. Tidy beschloß, auf keinen Fall seinen Freund zu erwähnen. Wenn Ed nicht gerade schlief, mußte er merken, daß im Haus nicht alles mit rechten Dingen zuging.
»Was solltest du mit den Bildern machen?«
»Sie wegschaffen.«
»Daß du sie nicht frißt, ist mir klar. Ich will wissen, wo du sie abliefern solltest.«
»Erst mal in ein kleines Hotel.«
»Davon gibt es viele.«
»Zwischen Dartmoor und Exeter liegt es. Ein Bed & Breakfast House, mehr für Touristen.«
»Da hätte er also auf dich gewartet.«
»Ja.«
»Und wann?«
»In den Morgenstunden. Ich hätte die Bilder mitgenommen und sie abgeliefert.«
»Auch kassiert?«
»Klar.«
»Wieviel?«
»Tausend Pfund.« Tidy nannte nicht die tatsächliche Summe, die lag noch um 100% höher, aber er hätte sie auch noch teilen müssen.
Der Mann hinter ihm begann zu lachen. »Lächerlich«, sagte er danach. »Einfach lächerlich. Weißt du eigentlich, wieviel diese Gemälde wert sind?«
»Nein!«
»Ach, ich will es dir nicht sagen. Es spielt auch keine Rolle, ob du das Wissen mit in den Tod nimmst. Du hast nämlich einen Fehler gemacht, mein Freund. Ich gehöre zu den Menschen, die man nicht berechnen kann. Ich komme und gehe, wann ich
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