Der Friseur und die Kanzlerin
lang und inhaltslos wie die vorangegangenen, aber trotzdem schrieb ich mir detalliert das Hineingehen und Herauskommen jedes Individuums auf. Das einzig Interessante waren die häufigen Besuche des Typen mit dem Peugeot 206. Ich fragte den Dandy, ob sein Aussehen mit dem des Swami übereinstimme, was er schlankweg verneinte.
«Immerhin hat der geheimnisvolle Mann mit dem Peugeot 206 das Telefon des Yogazentrums benutzt», sagte ich.
«Vielleicht arbeitet er ja da», sagte der Juli, «aber nicht als Swami.»
«Wahrscheinlich als Masseur», mutmaßte der Dandy Morgan.
«Oder er lässt sich massieren», meinte der Juli.
«Ich verbitte mir solche Schamlosigkeiten», rief der Dandy Morgan.
Durchdrungen von seiner Rolle als heilige Königin, legte er ein gewisses Gehabe an den Tag. Aus diesem und vielleicht auch anderen Gründen balgten er und der Juli sich ständig herum. Meine Autorität setzte dem Streit ein Ende.
«Wir sind hier, um über unsere Angelegenheit zu sprechen», sagte ich, nachdem sich die Gemüter beruhigt hatten. «Heute ist etwas Besorgniserregendes geschehen, und aus diesem Grund sitzen wir hier beisammen. Mag sein, dass es mit unserer Geschichte nichts zu tun hat, aber ich glaube nicht an Zufälle. Kennt ihr eine Polizei-Unterinspektorin namens Victoria Arrozales?»
Weder der Name noch eine eingehende Beschreibung ihres äußeren Erscheinungsbildes entlockte meinen Zuhörern eine zustimmende Antwort, obwohl es sich um zwei Taugenichtse mit gutbestückter Polizeiakte handelte. Nachdem damit vorheriges Misstrauen neu angefacht worden war, zog ich das Foto, das sie mir gegeben hatte, aus der Tasche und zeigte es dem Juli, der sagte, der Mann sei ihm nicht bekannt. Der Dandy Morgan sagte, ihm komme dieses Gesicht schon bekannt vor, aber nicht vom wirklichen Leben, sondern aus Presse oder Fernsehen.
«Es mag ja sein, dass ich den ganzen Tag kein Wort sage, aber wie der mythische Uhu der Göttin Minerva passe ich gut auf», fügte er pedantisch hinzu.
Das bestätigte meine Befürchtungen: Weder Taschendiebe noch Bierdosenverkäufer sind nachrichtenwürdig. Um meine Kollegen aufzuklären, erzählte ich ihnen den Verlauf des Besuches, ohne zu verschweigen, dass die Unterinspektorin dem Sonderkorps der Staatssicherheit angehörte.
«Wissenschaftliche Polizei?», rief der Juli vergnügt. «Wie Grissom?»
Ich sagte, ich wüsste nicht, wer Grissom sei. Der Dandy Morgan klärte mich über Grissom und sein ganzes Mitarbeiterteam auf. Señor Armengol, der dem Gespräch zugehört hatte, mischte sich ein und sagte, ihm gefalle Walker Texas Ranger besser. Die Debatte dauerte eine halbe Stunde, wonach der Dandy Morgan sagte, der Kerl auf dem Foto müsse ein Terrorist sein, wenn er in den Zuständigkeitsbereich der Unterinspektorin falle.
«Aber was für eine Beziehung soll es zwischen mir und einem Terroristen geben?», warf ich ein. «Und warum sollte die Polizei auf einen solchen Gedanken kommen?»
«Nicht die geringste Ahnung», sagte der Dandy Morgan. «Weltweit Verunsicherung zu erzeugen gehört zur Strategie der Terroristen.»
«Grissom hatte es mit ähnlichen Fällen zu tun», beharrte der Juli. «Natürlich hatte er ein total geiles Mikroskop. Nicht wie ich.»
«Wie auch immer», sagte ich, «wir dürfen weder unser vorrangiges Ziel aus den Augen verlieren noch die Aufgabe, die jedem von uns zugeteilt ist. Seit zwei Tagen sind wir auf Spurensuche zum Verschwinden von Romulus dem Schönen und sind noch keinen Schritt vorangekommen.»
«O nein», protestierte der Dandy Morgan. «Wenn sich in dem Fall neue Perspektiven ergeben, wie die eben erwähnte weltweite Verunsicherung, dann verlange ich den doppelten Tarif, oder ich ziehe mich zurück.»
Ich weigerte mich, wir stritten uns, die Gemüter wurden immer aufgebrachter, Señor Armengol mischte sich ein, damit wir nicht handgreiflich wurden, und am Ende schlossen wir ein Abkommen: Ich würde ihnen weiterhin dasselbe zahlen, aber zusätzlich eine Prämie von 50 Cents für jede relevante Information. Obwohl wir uns auf diese Zusatzklausel geeinigt hatten, verabschiedeten wir uns frostig. Das machte mich etwas niedergeschlagen, und das Betreten meiner Wohnung hob meine Stimmung nicht. Zwar spürte man nachts auf den Straßen eine sanfte Meeresbrise, die die Hitze ein wenig erträglicher machte, doch das einzige Fenster in meiner verwahrlosten Wohnung zog zwar allen Gestank an und verstärkte den Lärm, dem Wind aber verwehrte es in schlimmster Absicht
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