Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
Vom Netzwerk:
den Zutritt. Einmal, vor vielen Jahren, war durch dieses Fenster ein Schuss eingedrungen, dessen Ziel meine Person gewesen war. Zu meinem Glück traf er einen anderen, aber seither standen das Fenster und ich auf Kriegsfuß. Zur selben Zeit, also der des Schusses, hatte ich eine Nachbarin, die ihrer Arbeit halber häufige nächtliche Besuche empfing. Manchmal klopfte sie in einer freien Nacht bei mir an und lud mich zu sich ein, um fernzusehen und Tomatenbrot zu essen und eine Limonade zu trinken, teils, um mich für die nicht zu unterdrückenden Schreie zu entschädigen, mit denen ihre Kundschaft meinem Schlaf entgegenwirkte, und teils, um mit meiner Gesellschaft ihre Einsamkeit erträglicher zu machen. Zwischen uns beiden war nie etwas. Ehrlich gesagt fand ich sie zu geschwätzig, und die Parfüms, die sie über sich schüttete, drehten mir den Magen um. Eines Tages wurde ein Stammkunde von ihr, ein hoher Militär, pensioniert, zum Witwer, erlitt mehrere Embolien, trug ihr die Ehe an, und sie willigte ein und ging, und ich vermisste sie manchmal.
    Nach einer schlechten Nacht und ungefrühstückt hatte ich am nächsten Morgen eine Hundelaune und fuhr Quesito am Telefon ungerechtfertigterweise an, als sie mir die Handlung des Films vom Vorabend zu erzählen begann.
    «Ich habe keine Zeit, mir dieses dumme Zeug anzuhören», sagte ich, «und spar dir das Geschwätz für einen Anruf, den du bezahlst. Gibt es was Neues von Romulus dem Schönen?»
    «Kein einziges Wort.» Ihre Stimme stockte schluchzend.
    «Und hast du deine Mutter um Geld gebeten?»
    «Noch nicht.»
    «Gut. Und jetzt werde ich dir eine neue Mission übertragen. Vielleicht machst du das ja besser. Komm im Salon vorbei, und ich werde dir ein Foto geben. Mit dem Bild gehst du da hin, wo es alte Zeitungen gibt, und suchst bei den Meldungen über internationalen Terrorismus den Typen auf dem Bild. Du schreibst dir auf, was du findest, und bringst mir eine Zusammenfassung. Hast du das begriffen?»
    «Ja.»
    «Also, hier erwart ich dich.»
    Ich hängte auf. Ich baute nicht darauf, dass sie etwas Nützliches täte, aber ich wollte sie beschäftigt halten. Ich selbst konnte nichts anderes tun als warten und wachsam sein.
    Ich hatte etwa zwei Stunden vor dem Spiegel neue Nasenbohrtechniken einstudiert, als getreu dem am Anfang dieser Erzählung eingeführten Muster jemand unangemeldet und auffällig leise hereinkam. Als ich sah, wer es war, befielen mich Bestürzung und Verärgerung – von allen Frauen der Welt war sie die einzige, die ich in diesem Moment nicht in meiner Nähe haben mochte.
    «Ich bin gekommen», begann sie, ohne sich von meinem mürrischen Schweigen ins Bockshorn jagen zu lassen, «um mich bei dir zu entschuldigen und dir eine Erklärung abzuliefern. Vorgestern, als du so unvermutet zu mir kamst, habe ich dich nicht sehr nett behandelt, um nicht zu sagen schlicht grob. Ich habe es entgegen meinen Wünschen und meinem herzlichen Naturell getan. Zum Beweis der Freundschaft und des Vertrauens duze ich dich.»
    Ich antwortete immer noch nicht. Ich war so durcheinander, dass ich erst jetzt merkte, dass ich mich nicht angezogen hatte, wie ich es sonst zu tun pflege, wenn ich Besuch empfange, und zu allem Überfluss immer noch den Finger in der Nase stecken hatte. Während ich diese beiden Fehlleistungen korrigierte, inspizierte sie das Umfeld.
    «Das mit dem Damensalon war mir bekannt», fuhr sie im selben Honigton fort, «aber ich habe ihn mir nicht so groß und säuberlich vorgestellt. Ein richtiger Schönheitssalon, solcher Städte wie Paris, London und New York würdig. Ich werde nun öfter kommen und ihn auch meinen Freundinnen empfehlen. Das Lokal ist nicht nur elegant, sondern auch ein wenig heiß. Macht es dir was aus, wenn ich mich um einige Kleidungsstücke erleichtere?»
    Ohne mir Zeit zum Antworten zu lassen, stand sie in der Unterwäsche da. Meine Situation, kompromittierend von Anfang an, wurde nun unhaltbar. Natürlich wollte sie bloß ihre Wirkung auf mich nutzen, um an Informationen zu gelangen, und bei meiner Charakterunfestigkeit hätte sie sie auch bekommen, wenn mich das Wissen um ihre Ehe mit Romulus dem Schönen nicht gebremst hätte. Unter keinen Umständen hätte ich ihn verraten, und schon gar nicht wie jetzt als Verschwundenen, wenn nicht gar Toten. Zu allem Elend hatte ich auch noch Quesito herbestellt, und sie konnte jeden Augenblick erscheinen.
    «Wenn Sie wollen», brachte ich heraus, «können wir in ein Café

Weitere Kostenlose Bücher