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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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gehen.»
    «Nein, nein, hier ist es urgemütlich. Es ist intimer und, wie soll ich sagen?, für die Absicht meines Kommens geeigneter. Darf ich mich ganz ausziehen?»
    «Nein. Die Friseur-Innung ist sehr streng und könnte mir die Lizenz entziehen.»
    Ich weiß nicht, ob sie meinen Vorwand glaubte, jedenfalls verstand sie meine Anordnung und verzichtete auf ihr Vorhaben, fügte aber in unverändertem Ton und Verhalten hinzu:
    «Zu Hause tat ich, als würde ich dich nicht kennen. Ich war psychologisch nicht auf diese Begegnung vorbereitet. Und vor der Putzfrau war es auch nicht angezeigt. In Wirklichkeit wusste ich ganz genau, wer du bist, Romulus hat mir sehr oft von dir erzählt, immer mit so überschwänglichen Worten, dass seine Schilderungen in mir glühende Phantasien aufblühen ließen. Als er mir die Geschichte mit dem Schemel erzählte …»
    «Das ist Jahrzehnte her», sagte ich, meine Impulse beherrschend, «ich war jünger und eingesperrt. Jetzt besteige ich keine Möbel mehr.»
    «Das werden wir ja sehen.» Und plötzlich verändert, fuhr sie fort: «Aber wir wollen nicht über unser Intimleben sprechen. Im Grunde bin ich gekommen, um dir ein Problem anzuvertrauen und dich um Hilfe zu ersuchen. Es ist niemandes Schuld, wenn bei deinem Anblick die Flammen wieder hochgezüngelt sind, als hätte man einen Liter Benzin … oder Diesel, das ist männlicher …»
    «Zur Sache, bitte», sagte ich. «Wenn eine Kundin kommt, und in diesen Salon kommen viele, werde ich mich gezwungen sehen, unsere angenehme Unterhaltung abzubrechen und dem Rufe meiner Profession zu folgen.»
    «So soll es auch sein. Es geht um meinen Mann. Romulus und ich haben immer eine wunderbare Beziehung gehabt. Ab und zu ein Problemchen, das Übliche. Schließlich war Romulus immer sehr attraktiv. Ein großer Verführer. Er und du, ihr haltet mich beide wie auf glühenden Kohlen, ja auf einem hochaktiven Vulkan. Auch ich habe nämlich gut ausgesehen, und sogar jetzt noch …, urteile selbst … Aber um auf unser Thema zurückzukommen: Romulus hat ein kleines Abenteuerchen gehabt. Das weiß ich, und ich werfe es ihm nicht vor …»
    «Und Sie glauben, jetzt steckt er in einer anderen? In einer anderen Geschichte, meine ich.»
    «Wahrscheinlich. Seit einigen Wochen wirkt er verändert. So etwas bleibt uns Frauen nie verborgen … Oder wir sagen es, um unsere Männer einzuschüchtern. Wenn Romulus herumturtelte …»
    «Würden Sie ihm verzeihen, wie andere Male auch.»
    «Aber natürlich. Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Was du mir erzählen wirst, wird unser Glück vergrößern. Kleine Abenteuer halten die Paarbeziehung lebendig. In modernen Zeiten natürlich. Zu Calderóns Zeiten war das anders. Zum Glück haben wir uns verändert: Allein wenn ich an die Versöhnung denke, beginnt mein Blut zu kochen. Herrgott! Darf ich mich wirklich nicht ausziehen?»
    «Nein. Und wenn Ihnen Romulus’ Abenteuerchen nichts ausmachen, welchen Rat wollen Sie denn von mir?»
    «Manchmal» – übergangslos wechselte sie von einer libidinösen zu einer tiefbekümmerten Stimmung – «befallen mich Ängste, die, wenn auch unbegründet, dennoch sehr schmerzhaft sind. Es gibt sehr böse Frauen. Intrigante Stücke, echte Rasputins im Bett, falls du den Vergleich verstehst. Mir macht es nichts aus, wenn mich Romulus betrügt, aber ich würde es nicht ertragen, wenn er wegen einem dahergelaufenen Luder leiden müsste. Er ist sehr sensibel.»
    «Und so was könnte jetzt der Fall sein, Señora?»
    «Nenn mich bei meinem Vornamen. Lavinia. Eigentlich heiße ich gar nicht so. Diesen Namen hab ich mir als Mädchen gegeben, weil er mir aufreizender erschien als mein richtiger. Nenn mich Lavinia, oder verpass mir einen neckischen Spitznamen.»
    «Könnte es sein, dass jemand Romulus einwickelt?»
    «Darüber habe ich mit dir sprechen wollen. Deine Erscheinung hat mich für einige Augenblicke vom vorgezeichneten Weg abgebracht, aber das war der Hauptgrund meines Kommens. Romulus betrachtet dich als seinen besten Freund. Ich weiß, dass ihr vor kurzem etwas zusammen getrunken habt. Ich bin ganz sicher, dass er dir etwas erzählt hat. Vielleicht nicht haarklein, aber indirekt. Romulus spricht gern in Metaphern, wie Góngora. Er ist Don Luis de Góngora sehr ähnlich. Auch Tony Curtis. Eine unwiderstehliche Mischung dieser beiden Mannsbilder. Worüber habt ihr bei eurer letzten Begegnung denn gesprochen?»
    «Welche Begegnung meinen Sie?»
    «Vor einiger Zeit

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