Der Friseur und die Kanzlerin
und einmal wöchentlich einem Buchhalter zu geben. Es war keine kreative Arbeit, aber es war eine gute Arbeit. Die Mechaniker waren sympathisch und immer so schmutzig, dass sie nicht einmal auf den Gedanken kamen, mich zu betatschen. Wenig Aufstiegsmöglichkeiten, klar, und den ganzen Tag Kohlenmonoxid einatmen. Einige Kunden luden mich ein, und je nach Auto sagte ich ja oder nein. Wenn sie ein gutes Auto haben, werden sie in Saus und Braus leben, dachte ich. Mit diesem Maßstab handelte ich mir manche Enttäuschung ein. Aber im Allgemeinen ging es mir sehr gut. Danach, wenn ich allein im Büro war, die Hände in den Schoß legte und an die Zukunft dachte, schnürte sich mir das Herz zusammen: In diesem giftigen Räumchen verschleuderte ich meine Jugend. Ich wollte doch nur einen guten, häuslichen, fleißigen Mann finden und ein glückliches, vorhersehbares Leben führen. Ich war erst zweiundzwanzig.»
Sie schwieg einen Augenblick. Ich seufzte und konzentrierte meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Selbst die schönsten Frauen verlieren einen Teil ihres Charmes, wenn sie ihre Nöte vor einem ausbreiten, und mir tat es schon eine ganze Weile leid, nicht auf dem Chorizosandwich bestanden zu haben. Doch Lavinia war ganz in sich selbst gekehrt und bemerkte meine Zerstreutheit nicht.
«Eines Abends fuhr ein zitronengelber Lamborghini in die Werkstatt. Sogleich fielen mir mehrere Beulen und Kratzer in der Karosserie auf. Normalerweise hätscheln die Besitzer solcher Autos ihre Wagen und lassen sich keine Unachtsamkeiten zuschulden kommen. Der da war aber offensichtlich anders, denn als er in die Werkstatt einfuhr, rammte er zweimal heftig eine Säule. Ich verließ mein Häuschen, ging zum Fahrer und fragte ihn, ob er einen Termin habe. Er verneinte, er sei bloß in die Werkstatt gekommen, um zu fragen, wo sich bei einem Lamborghini der Tank befinde. Das alles sah ich als Indiz dafür, dass der Wagen gestohlen war. Vielleicht hätte ich ihn anzeigen sollen, aber ich tat es nicht, denn er war ein junger, sehr gut aussehender Mann. Er glich einem Schauspieler namens Tony Curtis, ich weiß nicht, ob dir das etwas sagt. Offenbar sah auch er etwas in mir, denn wir schauten uns reg- und wortlos in die Augen, und in diesem Augenblick geschah in der Reparaturwerkstatt etwas, was mein Leben verändern sollte. Und zwar nicht zum Guten. Wir fanden den Einfüllstutzen, und er lud mich zu einer Spritztour ein. Ich willigte ein, er wartete am Ausgang auf mich und fuhr mit mir im Lamborghini nach L’Arrabassada. Wie durch ein Wunder kamen wir nicht ums Leben, aber als wir zum Parkplatz gelangten, sahen wir den Mond über dem Meer und die ganze Stadt zu unseren Füßen leuchten. Sonst geschah nichts – die Sitze hatten ein allzu aerodynamisches Design. Am nächsten Tag holte er mich in einem anderen Auto ab, ebenfalls ein Luxusschlitten, aber leichter zu fahren und geeigneter für andere Zwecke. Er sagte, den Lamborghini habe er zur Inspektion gebracht. Eine Zeitlang hielt er seine kriminellen Aktivitäten vor mir geheim und ich vor ihm, dass ich ihn durchschaut hatte. Es einzugestehen hätte mich zur stillschweigenden Komplizin gemacht, und noch weigerte ich mich, einen Weg einzuschlagen, der so wenig mit der Verwirklichung meiner Träume zu tun hatte. Alles trieb mich dazu, diese aufkeimende Beziehung abzubrechen, die mir bloß Leiden und Probleme bescheren konnte, doch ich war verliebt in diese großen Augen und dieses Ganovengrinsen. Ich verschob die Entscheidung von einem Tag auf den nächsten, bis Romulus eines Abends mit einem großen schweren Sack in die Werkstatt gestürzt kam. Er schwitzte und war außer Atem. Er kam direkt auf mein Häuschen zu, ließ den Sack in einem hinter dem Aktenschrank versteckten Winkel liegen und sagte in stockenden Sätzen, ich solle ihn bei mir behalten und dafür sorgen, dass ihn niemand sehe, was auch immer geschehe, und ich dürfe ihn nicht öffnen. Er werde ihn später wieder holen. Dann verschwand er so schnell, wie er gekommen war, und gab mir keine Zeit, etwas zu fragen. Noch bevor er bei der Tür war, fiel ihm etwas zu Boden, er bückte sich, hob es auf und steckte es sehr schnell in die Hosentasche zurück, aber ich hatte bereits gesehen, dass es eine Pistole war. Ich zitterte und wusste nicht, was ich tun sollte. Nach einer Weile wurde meine Beunruhigung zum Horror, als ich sah, dass sich auf dem Sackleinen ein dunkler Fleck ausbreitete, als sonderte der Inhalt einen zähflüssigen Saft
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