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Der Friseur und die Kanzlerin

Der Friseur und die Kanzlerin

Titel: Der Friseur und die Kanzlerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduardo Mendoza
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den Mut, ihn rauszuwerfen. Da ich ihn liebte, dachte ich, an meiner Seite würde er sich bessern, ich war sicher, dass ich auf ihn einen wohltuenden Einfluss ausüben würde. Er versprach, ein anderer Mensch zu werden, und einige Tage später versuchte er, ein neues Verbrechen zu begehen. Er hatte keinen Beruf, wollte reich sein und glaubte nicht, dass ehrliche Arbeit die beste Methode dazu war. Umsonst sagte ich ihm immer wieder, man müsse nicht reich sein, um glücklich zu sein, es reiche schon mit unserer Liebe und einem einfachen Leben. Einige seiner Coups misslangen so wie der mit den Hähnchen, aber andere misslangen noch gründlicher. Mehrmals wurde er verhaftet. Ich leistete die Bürgschaft, aber da es bei uns kein anderes Einkommen gab als mein bescheidenes Gehalt als Empfangsdame in der Werkstatt, musste ich Kredite beantragen. Schließlich wurde er zu Haft verurteilt. Aufgrund seines Vorstrafenregisters erklärte man ihn für bescheuert und schickte ihn in das Sanatorium, wo du auch warst. Das waren schwierige Jahre: Meine Beziehung zu Romulus wurde in den Zeitungen breitgetreten, und da ich sehr gut aussah, erschien überall mein Foto. In der Werkstatt warf man mich raus: Die Partnerin eines Verbrechers zu sein vertrug sich nicht mit einer Arbeit, bei der ich Zugang zu so vielen Autos hatte. Natürlich hagelte es Angebote, aber bei allen war etwas dabei, was ich immer abgelehnt habe. Während des Prozesses erhielt ich Anträge von Polizisten, Justizbeamten, dem Staatsanwalt, dem Pflichtverteidiger, dem Prozessbevollmächtigten, Gerichtsschreibern und Saaldienern. Sie abzuweisen brachte mich um viele Vorteile. Einige von Romulus’ Freunden halfen mir uneigennützig. Sie waren Übeltäter und handelten aus Solidarität, aber sie waren eigentlich nicht in der Lage dazu und hatten nicht viel Geld übrig. Ich überlebte mit Ach und Krach und konnte sogar etwas sparen, um Romulus Kleider, Lebensmittel, Lektüre und Tabak zu bringen. Ich erzählte ihm nie von meinen Schwierigkeiten oder den Opfern, die mir diese unbedeutenden Dinge abverlangten.
    Im dritten Jahr seiner Haft lernte ich den Swami kennen. In einem Moment der Verzweiflung hatte mich eine Freundin ins Yogazentrum von Pandit Shvimimshaumbad gebracht, damit ich hier vielleicht die verlorene Ausgeglichenheit wiederfände. Das war nicht der Fall, aber der Swami verliebte sich in mich und nahm mich unter seine Fittiche. Seine Liebe war platonisch oder Zen oder sonst was Absurdes. In meinem Zustand hätte er alles erreicht, wenn er es ernstlich versucht hätte. Aber er war ein guter Mensch, einfach und überzeugt von der Wirkung dessen, was er predigte. Auf diese Art verbindet er sich mit seinesgleichen, gestaltet die Einfachheit der Leute und befriedigt ihre spirituellen Bedürfnisse. Bald ging ich nicht mehr ins Zentrum, aber wir sahen uns weiterhin. Er linderte meine Einsamkeit, steckte mich mit seinem Optimismus an und lud mich hin und wieder zum Abendessen ein. Später fand er für mich die Arbeit, die ich immer noch habe und dank der ich habe überleben können. Als Romulus wieder nach Hause kam, sah ich den Swami insgeheim weiterhin. Romulus weiß nichts von ihm.
    Nach so langer Trennung das Zusammenleben wiederaufzunehmen war nicht einfach. Romulus war ein Unbekannter für mich, und bestimmt war ich es auch für ihn. Zum Glück schien er wirklich ein anderer Mensch geworden zu sein. Das hätte mich für sämtliche Entbehrungen entschädigt, nach so viel Leiden war ich nicht mehr bereit, noch einmal die gleichen Ängste durchzustehen. Aber ich irrte mich jetzt genauso, wie ich mich am Anfang geirrt hatte, als ich dachte, mein Einfluss könne einen Mann von dem Weg abbringen, den ihm sein Schicksal oder sein Charakter vorgezeichnet haben. Er war dazu verdammt, immer über denselben Stein zu stolpern, und ich ebenfalls. Am Anfang natürlich nicht. So etwas geschieht nie am Anfang, wenn man noch Zeit zum Eingreifen hätte.
    Romulus fand eine Stelle als Portier in einem gepflegten Haus. Mit seinem Lohn und meinen Einkünften lebten wir bescheiden, aber ohne Engpässe. In anderer Hinsicht lief es nicht gut: Nach all den unruhigen Jahren wollte ich Stabilität, während er nach all den Gefängnisjahren den Rummel suchte. Sehr betrübt sah ich ihn mit jedem Tag an meiner Seite welker werden, und ich welkte mit. Am Ende geschah das Unvermeidliche: Romulus lernte bei der Arbeit eine Frau kennen. Eine böse, ehrgeizige, alleinstehende Frau mit einer

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