Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Wetter hatten sie gelblich verfärbt wie das Gebiss eines Rauchers.
»Er hat sich vor die Tür gestellt und mit den Fäusten dagegengetrommelt«, fuhr sie fort. »Keine Ahnung, was das sollte. Da wohnen sechs Familien, Beamte aus der Provinz. Die Haustür ist nicht abgeschlossen. Trotzdem isser nie rein gegangen. Er hat immer bloß geklopft. Und jedes Mal ist jemand runtergekommen und hat ihn gefragt, was er denn will, aber er wollte nix. Bloß gegen die Tür hämmern. Jede verdammte Woche. Bis letzten Freitag. Da hat er sich nicht blicken lassen. Ich hab noch auf die Uhr geguckt und gedacht, gleich schlägt’s halb sechs. Aber er hat sich nicht blicken lassen. Das hat mich denn doch gewundert. Die Frauen sind sogar aus dem Haus gekommen, als ob sie ihn erwartet hätten. Vorgestern isser wieder nicht gekommen. Da muss was passiert sein.«
Siri und Daeng gingen zu dem alten Gebäude hinüber und befragten die wenigen Bewohner, die zu Hause waren. Sie bestätigten Ba Sees Geschichte. Keiner hatte auch nur die leiseste Ahnung, weshalb er jede Woche an die Tür klopfte, und seit Freitag vor acht Tagen hatte ihn auch keiner mehr gesehen. Siri legte den Kopf auf Daengs Schulter. Sie saßen auf seiner Triumph. Niemand hat größere Liebe denn die, dass er seiner Frau freiwillig sein Motorrad anvertraut.
»Was jetzt?«, fragte Daeng.
»Wenn wir Fernsehen hätten, könnten wir ein Phantombild von ihm in den Abendnachrichten bringen.«
»Und abgesehen davon?«
»Abgesehen davon sind wir mit unserer Weisheit für heute am Ende. Betrachten wir die Ermittlungen als laufend, und widmen wir uns der nächsten Katastrophe.«
»Deinem Haus?«
»Hast du Lust?«
»Aber immer.«
Sie hielten vor Siris Bungalow und verschafften sich rasch einen kleinen Überblick. Im Vorgarten standen sechs Kinder, regungslos wie Statuen. Daeng sah zu Siri, doch der zuckte nur mit den Schultern. Auf dem Dach lag ein rot-weiß gepunkteter Schirm ohne Stock, der inmitten der Ziegel eine Art Kuppel bildete. Eine provisorische Wäscheleine spannte sich zwischen einem Baum und einem reich verzierten Geisterhaus, das bei Siris letztem Besuch noch nicht da gewesen war. Leuchtend bunte Damenunterwäsche in allen Formen und Farben baumelte an der Schnur wie Notflaggen auf einem Schiff. Geistliche Musik aus Thailand drang bis auf die Straße vor dem Haus, und in einem Fenster prangte ein großes X aus braunem Klebeband.
»Ich weiß nicht«, sagte Daeng. »Der Dschungelkrieg gegen die Franzosen war ja schon ziemlich schlimm …«
»Sei tapfer, meine Pasionaria. Aber ich warne dich: Es kann sein, dass ich einen Wutanfall simulieren muss. Ich wäre dir dankbar, wenn du dir das Lachen verkneifen könntest.«
»Ich werde mein Bestes tun.«
Siri sammelte Streuner, seit sein altes Haus in die Luft geflogen und er an den Stadtrand umgesiedelt worden war. Für eine Person war dieses hochherrschaftliche Anwesen auch viel zu groß. Im Lauf des letzten Jahres hatten diverse Stromer und Vagabunden hier Station gemacht. Einige waren geblieben. Soviel er wusste, gehörten derzeit zur Belegschaft: Herr Inthanet, der Puppenspieler aus Luang Prabang; Frau Fah, deren Mann von Geistern zu Tode gequält worden war, und ihre beiden Kinder Mee und Nounou; die beiden hoffentlich emeritierten Bordsteinschwalben Tong und Gongjai; Genosse Noo, der abtrünnige Mönch, der sich hier vor der Thai-Junta versteckt hielt; und der blinde Hmong-Bettler Pao und seine Enkelin Lia, die sie vor Daengs Nudelküche von der Straße aufgelesen hatten, bevor die Polizei sie hatte entsorgen können. Dann waren da noch die Zwillingsbabys, die der Abholung harrten und denen sie vorläufig die Namen Athit und Jun gegeben hatten, aber das war eine andere Geschichte.
Siri und Daeng durchquerten den Vorgarten und blieben neben den erstarrten Kindern stehen.
»Ich glaube, die sind tot«, sagte Daeng.
»Wahrscheinlich ausgestopft«, setzte Siri hinzu.
»Man könnte wer weiß was mit ihnen anstellen, und sie würden es gar nicht merken.«
»Du meinst, wenn ich ihnen den Finger in die Nase stecke …?«
Nounou, die unter dem Lamyai-Bäumchen saß, brach in schallendes Gelächter aus, und die anderen erwachten zum Leben und zeigten kichernd auf ihre Spielkameradin.
»Du hast verloren«, riefen sie.
»Das ist gemein«, maulte Nounou. »Großvater darf nicht mitspielen.«
Lachend legte Siri die Händflächen aneinander, verlieh seinem Bedauern mit einem höflichen nop gebührend Ausdruck, und
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