Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Arbeitstag, und so hatten Dtui und Herr Geung bei seiner Rückkehr bereits Feierabend gemacht. Er schloss die Tür auf und ging schnurstracks in den Schneideraum. Er öffnete die Kühlkammer und zog die Schublade heraus. Seine Madonna war in eine blaue Plastikplane gewickelt, die er bis zu den Schultern herunterrollte. Er trat einen Schritt zurück und betrachtete die fahle Maske ihres Gesichts. Sie war wunderschön gewesen. Wie hatte man ihr so etwas nur antun können? Warum konnte er nicht einfach ein paar gesegnete Zweige aneinanderreiben und ihren Geist herbeirufen? Und warum ließen ihn seine übersinnlichen Kräfte immer dann im Stich, wenn er sie so dringend brauchte? Ein oder zwei Hinweise aus dem Jenseits hätten ihm genügt, um das Schwein zu schnappen, das dieses Mädchen auf dem Gewissen hatte. Sein spiritistisches Unvermögen war ihm mindestens ebenso zuwider wie der Verrückte, der das Leben dieser Venus ausgelöscht und ihr die Ehre geraubt hatte.
»Sie muss bildhübsch gewesen sein.«
Siri hatte Phosy nicht kommen hören. Die sieben Monate Ehe mit Schwester Dtui hatten dem Inspektor – aufrecht, muskulös, in mittleren Jahren – offensichtlich nicht geschadet. Obwohl er aß wie ein Scheunendrescher, hatte er kaum Fett angesetzt. Er hatte rabenschwarzes Haar, das Dtuis Angebereien zufolge nicht aus einer Flasche stammte, und ein offenes, neugieriges Gesicht.
»Hat Dtui Ihnen alles erzählt?«, fragte Siri, ließ die Etikette Etikette sein und verzichtete auf eine Begrüßung.
»Ja, sie ist über Mittag nach Hause gekommen. Ich soll Ihnen ausrichten, es täte ihr leid, dass sie …«
»Schon gut. Haben Sie eine Ahnung, wer mit diesem Fall befasst ist? Ich möchte an der Sache dranbleiben.«
»Kein Problem«, sagte Phosy. »Ich leite die Ermittlungen.«
»Ich dachte, Sie beschäftigen sich nur noch mit politischen Angelegenheiten.«
»Das war Genosse Surachais Idee. Er ist das ZK -Mitglied, das die Kleine heute Morgen eingeliefert hat. Wir kennen uns über Kham, meinen alten Chef. Der Polizeipräsident schuldete Surachai noch einen Gefallen. Die Leute in Vang Vieng haben Angst, dass dort ein Mörder frei herumläuft. Also, machen wir uns an die Arbeit.«
Siri war entzückt. Er hatte schon in mehreren Fällen mit Phosy ermittelt; die beiden waren ein unschlagbares Team. Obwohl man Siri den Posten des Pathologen quasi aufgezwungen hatte, bot er ihm ausreichend Gelegenheit, seinen detektivischen Neigungen zu frönen. Als mittellosem jungen Medizinstudenten in Paris war ihm die Art frivoler Unterhaltung, nach der andere Männer sich verzehrten, leider nicht vergönnt gewesen. Und so hatte er denn in billigen Kinosälen und Bibliotheken Trost gesucht, wo Maurice LeBlanc, Gaston Leroux und Stanislas-André Steeman ihn auf dunkle Reisen durch das dornige Dickicht der Unterwelt mitnahmen. Sein Held, Inspektor Maigret, hatte ihn davon überzeugt, dass es keinen schöneren Beruf gab, als Verbrechen aufzuklären und die Übeltäter hinter Gitter zu bringen.
In seiner Zeit bei der Armee, im Dschungel von Nordlaos und Vietnam, war für Detektivarbeit nur wenig Platz gewesen; und so war sein Traum, wie die meisten Männerträume, in Rauch aufgegangen und im Sturmwind der Geschichte zerstoben. Bis jetzt.
»Wo fangen wir an?«, wollte Phosy wissen, eine Frage, bei der jeder heimliche Mitarbeiter der Sûreté leuchtende Augen bekam. Obgleich er auf seine Art durchaus brillant war, gab Inspektor Phosy nie vor, ein Genie zu sein. Er kannte seine Grenzen.
»Haben Sie schon ein Foto von dem Mädchen?«, fragte Siri, obwohl er wusste, dass Phosys Untergebener, Sergeant Sihot, die Leiche bereits mit einer Polaroidkamera fotografiert hatte. Der Apparat war die neueste Waffe zur Verbrechensbekämpfung im spärlichen Arsenal der Polizei.
»Sihot ist mit dem Kader nach Vang Vieng zurückgefahren. Er will das Foto herumzeigen, vielleicht kann er das Mädchen so identifizieren.«
»Gut.« Siri nickte. »Dann schlage ich vor, wir sehen uns den Stößel etwas genauer an.«
Das Beweisstück stand, frisch gereinigt und beschriftet, unschuldig auf einem Regal über dem Sektionstisch.
»Das ist kein handelsüblicher Stößel«, bemerkte Phosy und wog den schweren, stumpfen Gegenstand nachdenklich in der Hand. »Er ist ungewöhnlich groß; eine Art Mittelding zwischen Küchen- und Arzneimörser.«
»Schwarzer Stein. Augenscheinlich ziemlich teuer«, bekräftigte Siri.
»Ich werde einen Kollegen damit von Haus zu Haus
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