Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
geleitete Daeng ins Haus. Die Musik kam aus einem großen Kassettenrekorder im Wohnzimmer. Sie war so laut, dass das Gerät auf dem nackten Estrich hin und her tanzte. Siri bückte sich und stellte es ab. Auf halber Höhe des Flurs ragte der Stock des Schirms aus einem Loch in der Decke, und am Griff hing ein Eimer. Durch die offene Zimmertür zu ihrer Linken sahen sie Pao und seine Enkelin auf einer Matratze liegen. Der alte Mann starrte Siri aus großen Augen an, obwohl sein Schnarchen lautstark davon zeugte, dass er tief und fest schlief. Lia lächelte und winkte ihm.
Erst im Garten stießen sie auf weitere Lebenszeichen. Genosse Noo rekelte sich wie ein römischer Kaiser in Siris alter Hängematte. Zehn Personen, von denen Siri einige als Nachbarn, andere als die offiziellen Bewohner dieses Hauses erkannte, saßen im Schneidersitz zu seinen Füßen und schienen in einer Art Trance versunken. Siri hatte keine Skrupel, sie zu stören.
»Sie halten im Garten meines Hauses doch nicht etwa eine buddhistische Zeremonie ab?«, schnauzte er.
Noos Jünger schraken gemeinschaftlich aus ihren Träumen und begrüßten Siri mit einem nop oder wünschten ihm artig »Wohlsein«. Der Mönch hob den Kopf und sah seinen Gönner breit lächelnd an.
»Eine Meditationssitzung, weiter nichts«, sagte der Thai. »Zur inneren Reinigung. Einige Nachbarn haben gefragt, ob sie mitmachen dürfen. Ihre Religion fehlt ihnen. Sie haben hoffentlich nichts dagegen.«
Das Opium des Volkes war inzwischen zu feinem Pulver zermahlen. 1978 gab es im ganzen Land nicht einmal mehr dreitausend Mönche, und die bauten ihre eigenen Almosen an oder schlugen sich als Lehrer durch. Wenn ein illegaler Thai-Mönch im Garten eines Staatsbeamten einen Gottesdienst abhielt, konnte Letzterem dies ohne Weiteres als Hochverrat ausgelegt werden. Was ihnen allen mit ziemlicher Sicherheit einen längeren Aufenthalt in den Umerziehunglagern im Norden beschert hätte. Siri war keine Sekunde zu früh gekommen.
»Nichts dagegen?«, brüllte er. »Nichts dagegen? Ich zähle jetzt bis drei, und dann sind alle, die nicht offiziell in diesem Haus gemeldet sind, verschwunden. Und Ihre versteinerten Kinder am besten gleich mit. Eins, zwei, drei. Los!«
Diese Aufforderung führte nicht eben zu hektischer Betriebsamkeit. Nachdem sie so viel Leid hatten ertragen müssen, ließen die Laoten sich nur schwer aus der Ruhe bringen und neigten folglich zur Gemächlichkeit. Und so traten sie den ordentlichen Rückzug an, wechselten noch ein paar freundliche Worte, bezeugten dem Mönch ihre Ehrerbietung und trotteten an Siri vorbei, der mit in die Hüften gestemmten Fäusten dastand.
»Hallo, Bruder Siri«, sagte Inthanet. »Wir sehen uns viel zu selten in letzter Zeit.«
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte Siri. »Also, wenn es so weitergeht, können Sie mich die nächsten Jahre im Zuchthaus besuchen.«
»Warum?«, fragte Frau Fah und machte ein verdutztes Gesicht. »Was haben Sie denn getan?«
»Das Problem ist nicht, was ich getan habe«, antwortete er. »Das Problem sind Sie. Dieses Haus wird überwacht, und Sie haben gegen so ziemlich jede erdenkliche Vorschrift verstoßen.«
Inthanet lächelte und sprach die unvermeidlichen Worte: » Bo ben nyang! «
Hätten die Begründer der großen europäischen Sprachen auch nur geahnt, über welch ungeheure Bedeutungsvielfalt die laotische Redensart bo ben nyang verfügte, hätten sie sich ohne Zweifel eine eigene Variante dieser Wendung ausgedacht. Denn sie bündelte auf nachgerade magische Weise allerlei Formeln wie schon gut, macht nichts, mir egal, gern geschehen, kein Problem sowie diverse andere obskure Nuancen, wenn auch mit einer genuin laotischen Färbung, die implizierte, dass nichts auf dieser Welt es wert war, sich des wegen graue Haare wachsen zu lassen. Die schlanke Ru tenhirse würde weiter sprießen, und auch die Sonnenkugel würde wie immer lethargisch ihre Bahn von Horizont zu Horizont ziehen. Es war sozusagen eine Allzweckphrase – die einem mitunter schrecklich auf die Nerven gehen konnte.
»Sie haben gut reden, alter Mann«, sagte Siri mit zusammengebissenen Zähnen. »Sie haben den Vertrag schließlich auch nicht unterschrieben. Nein«, wandte er sich an alle. »Von heute an wird sich hier einiges ändern.«
»Möchten Sie zur Beruhigung vielleicht ein Schlückchen Orangenlikör, Onkel?«, fragte Gongjai, eines der beiden Freudenmädchen.
»Ich will mich nicht beruhigen«, entgegnete Siri. »Ich möchte,
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