Der Fromme Dieb
zu bringen.
»Er scheint etwas nachlässig damit umzugehen. Er hat es seit dem Hochwasser im Stall beim Pferdemarkt gelassen und es erst heute morgen wieder geholt.«
Diesmal warf sie ihm einen aufmerksamen Blick zu und hielt bei der letzten Schnalle inne. »Hat er das behauptet? Er hat das Zaumzeug heute morgen eine halbe Stunde lang geputzt und poliert. Es war die ganze Zeit hier, ich habe es wohl ein Dutzend mal gesehen.«
Ihre weit geöffneten Augen blitzten mißtrauisch auf. Cadfael wollte ihren Argwohn nicht weiter anstacheln; sie war schon mehr in die Sache verwickelt, als ihm lieb war, und es wäre zu leichtsinnig für sie, in der jetzigen, angespannten Lage, kurz vor ihrem Aufbruch nach Leicester, wo immer noch nichts gelöst oder gar gewonnen war, sich in ein gewagtes Unternehmen zu stürzen. Besser, sie da herauszuhalten, wenn es irgendwie möglich war. Aber sie war von schnellem Verstand und hatte sich längst in diese Widersprüchlichkeit festgebissen. Cadfael zuckte die Achseln und sagte scheinbar gleichgültig: »Ich muß ihn mißverstanden haben. Er trug es heute morgen bei sich, als ich ihm im Stall begegnete. Ich glaubte, er hätte es dort geholt, und ging davon aus, daß es Rémy gehört.«
»Das kann ich verstehen«, stimmte sie zu. »Ich habe mich selbst schon immer gefragt, wie er in den Besitz gekommen ist.
Irgendwo in der Provence wahrscheinlich. Aber auf ehrliche Weise? Das bezweifle ich.« Ihre glänzenden Augen hefteten sich fragend auf Cadfaels Gesicht. Sie drehte sich nicht nach Bénezet um, noch nicht. »Was hat er am Pferdemarkt gemacht?« Ihr Tonfall drückte noch immer eher beiläufige Neugier aus, als wären ihr weder Frage noch Antwort wirklich wichtig, das Funkeln ihrer Augen ließ aber das Gegenteil vermuten.
»Wie soll ich das wissen?« entgegnete Cadfael. »Ich war oben auf dem Heuboden des Stalls, als er hereinkam. Vielleicht war er nur neugierig und wollte sehen, warum die Tür offenstand.«
Diese Wendung des Gespächs konnte ihre Neugier nicht befriedigen. Ihre Augen wurden noch größer, als ob sie noch größere Enthüllungen vermutete. »Und was hattet Ihr auf dem Heuboden zu tun?«
»Ich suchte nach einem Beweis für das, was Ihr mir erzählt habt«, sagte Cadfael. »Und ich fand ihn. Wußtet Ihr, daß Tutilo nach der Komplet sein Gebetbuch dort vergessen hat?«
»Nein«, kam ihre Antwort fast unhörbar nach einem sanften Aufatmen.
»Er hat sich gestern abend meines ausgeliehen. Er konnte sich nicht erinnern, wo er seines verloren hatte, aber ich hatte wenigstens einen Ort im Sinn, wo sich die Suche lohnen könnte. Und tatsächlich, dort war es, und dazu an der Stelle der Komplet markiert. Ein Gebetbuch ist natürlich kein Augenzeuge, Daalny, aber es ist ein Beweisstück. Und ich habe vor, es Hugh Beringar zu übergeben.«
»Wird es ihn frei machen?« fragte sie, immer noch flüsternd.
»Was Hugh betrifft, vielleicht. Aber Tutilos Vorgesetzter ist Herluin, und der kann nicht übergangen werden.«
»Muß er es unbedingt erfahren?« fragte sie hartnäckig.
»Nicht die ganze Wahrheit, wenn Hugh es mit meinen Augen sieht. Daß es einen eindeutigen Beweis dafür gibt, daß der Junge den Mord nicht begangen hat, ja, das muß man Herluin sagen, aber er braucht nicht zu wissen, wo Ihr beiden Euch aufhieltet, und was Ihr in jener Nacht gemacht habt.«
»Wir haben nichts Schlechtes getan«, sagte sie eifrig und zugleich voller Verachtung für eine Welt, in der jeder gleich etwas Schlechtes dachte. Sie kannte die Sünden der Welt und verachtete sie. »Kann der Abt Herluin nicht überstimmen? Dies ist sein Bereich, nicht Ramseys.«
»Der Abt muß die Ordensregeln respektieren. Er kann den Jungen genausowenig hier festhalten und Ramsey entziehen, wie er einen der Seinen fallenlassen könnte. Aber wartet! Wir wollen sehen, ob nicht Herluin selbst überredet werden kann, dem Jungen die Tür zu öffnen.« Über das, was dann geschehen würde, wollte er jetzt nicht weiter nachsinnen, obwohl es ihm schien, als wäre Tutilos Begeisterung für seine Berufung, in den Orden einzutreten, so weit abgekühlt, daß sie, verglichen mit dem Anreiz, Partholans Königin aus der Sklaverei zu befreien, bald völlig verblaßt sein würde. Nun, gut!
Besser, du nimmst deine Hände früh vom Pflug und gebrauchst sie für etwas Sinnvolleres, als immer engere Furchen zu ziehen, bis alles Weltliche verflucht und alles Menschliche verdammt ist.
»Gebt mir Bescheid«, sagte Daalny ernst, fast
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