Der Fromme Dieb
sonderbare, widersinnige Dinge, schweiften grundlos von dem ab, was sie gerade beschäftigte. Aber behalte es im Auge.
Sonderbare, widersinnige Dinge sind manchmal höchst bedeutsam. Mit diesem Gedanken verriegelte Cadfael die schwere Tür und machte sich auf den Weg nach Saint Giles.
Als er mit seinem leeren Ränzel zurückkehrte, herrschte reges Treiben im großen Hof, wie ein kräftiger Wind, der zum Aufbruch blies. Freilich ohne Hast, man hatte den ganzen Tag Zeit für die Vorbereitungen. Die zwei Knappen von Robert Bossu liefen in der Halle des Gästehauses hin und her und packten alles zusammen, was ihr Herr auf der Reise nicht unbedingt benötigen würde. Er reiste mit leichtem Gepäck, legte aber Wert auf eine peinlich genaue Erledigung seiner Wünsche, was auch meistens ohne besonderen Bedarf an Nachdruck geschah. Der Diener Nicol und sein jüngerer Gefährte, jener den man zwar in Worcester zurückgelassen hatte und der dann den Weg nach Shrewsbury zu Fuß gekommen war und sich dafür vernünftigerweise Zeit gelassen hatte, mußten wenig vorbereiten, denn dieses Mal wurden die für ihr Haus gesammelten Spenden mit Robert Bossus Gepäckwagen befördert
– demselben, auf dem der Reliquienschrein der heiligen Winifred zurückgebracht worden war und der jetzt als Gepäckfahrzeug diente, während das Lastpferd des Grafen als angemessenes Beförderungsmittel für Subprior Herluin dienen sollte. Robert Bossu bedachte Herluin großzügig mit kleinen Aufmerksamkeiten, die seiner Würde schmeichelten.
Und die dritte der drei Parteien, die sich versammelten, um ihre Reise gemeinsam anzutreten, hatte wohl die aufwendigsten Vorbereitungen zu treffen. Daalny kam langsam die Treppe des Gästehauses herunter, eine wunderschöne tragbare Orgel auf dem Arm, den schlanken Hals gereckt, um über ihre Last hinwegzuspähen und die Kante jeder Stufe zu erblicken, denn Rémys Instrumente waren kostbar und ihm fast noch wertvoller als seine Sängerin. Die Orgel besaß ein speziell angefertigtes Behältnis zur sicheren Verwahrung, das aber sperrig war, so daß es aus Platzmangel in den Stall verbannt worden war. Daalny überquerte den Hof, hielt das Instrument wie ein Kind im Arm, die freie Hand zärtlich daraufgelegt, denn es war ihr nicht weniger teuer als ihrem Herrn. Sie blickte zu Cadfael auf, als sie ihn neben sich gewahrte, und schenkte ihm ein vorsichtiges Lächeln, als wollte sie in ihren Gedanken die Dinge beiseite schieben, die in seiner Gesellschaft leicht zur Sprache kommen konnten, aber besser vermieden werden sollten.
»Ihr habt die schwerste Last«, sagte Cadfael. »Laßt sie mich für Euch tragen.«
Ihr Lächeln wurde wärmer, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich bin dafür verantwortlich«, sagte sie, »und trage das Instrument also selbst oder lasse es selbst fallen. Es ist nicht so schwer, wie es aussieht, nur sperrig. Der Kasten ist dort im Stall. Aus Leder, weich und gut gepolstert. Ihr könnt mir beim Einpacken helfen, wenn Ihr möchtet.«
Er begleitete sie in den Stall und hielt den geöffneten Kasten mit zurückgeklapptem Deckel auf den Armen, so daß sie die kleine Orgel behutsam hineingleiten lassen konnte. Sie schloß den Deckel und zog die Riemen zu, die ihn befestigten. In der Zwischenzeit machten sich die Männer des Grafen mit der geschmeidigen und wohltuenden Anmut der Jugend im Stall zu schaffen, während Bénezet am anderen Ende des Hofes Sättel und Geschirr putzte und dann auf die Schabracken legte, die über einem Holzgestell im bereits erstaunlich warmen Sonnenlicht ausgebreitet waren. Neben ihm, an einem Haken, hing das kostbar verzierte Zaumzeug.
»Euer Herr scheint großen Wert darauf zu legen, daß sein Geschirr glänzt«, sagte Cadfael, in Bénezets Richtung deutend.
Teilnahmslos folgte sie seinem Blick.
»Ach, das da! Das gehört nicht Rémy, sondern Bénezet.
Woher er’s hat, weiß ich nicht. Ich habe mir oft gedacht, daß er’s irgendwo gestohlen hat, doch er ist verschwiegen wie ein Grab, besser, man stellt keine Fragen.«
Cadfael nahm diese Bemerkung ohne Kommentar zur Kenntnis. Warum eine so überflüssige Lüge? Sie diente keinem Zweck, soweit er das entdecken konnte, und das war Grund genug, der Sache nachzugehen. Vielleicht hielt Bénezet es für ratsam, den Besitz eines so kostbaren Zaumzeugs seinem Herrn zuzuschreiben, allein um jeder Frage, woher er es hatte, vorzubeugen. So etwas hatte Daalny soeben angedeutet. In beiläufigem Ton versuchte er, mehr in Erfahrung
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