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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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unschuldig wie die Kindheit und durchdringend wie der Schmerz des Erwachsenseins. Er sang nicht in englischer Sprache, auch nicht in normannisch-französischer, wie England sie kannte, sondern in der langue d’oc, an die Cadfael sich aus vergangenen Zeiten verschwommen erinnerte. Wo hatte dieser Klosternovize diese Weisen der provenzalischen Troubadoure gehört und gelernt? Bei dem Herrn etwa, wo er Harfenspieler gewesen war? Donata verstand kein Südfranzösisch, Cadfael hatte es lange vergessen, aber beide erkannten sofort, daß es ein Liebeslied war. Wehmütig, unerfüllt, ewig hoffend, eine amour de loin, dazu bestimmt, einander nie näherzukommen.
    Unvermittelt veränderte sich die Kadenz, die geheimnisvollen Worte verwandelten sich auf magische Weise in »Ave mater salvatoris…«, und sie waren mitten in der Liturgie des heiligen Martian, bevor sie wahrnahmen, was Tutilo mit der Witterung eines Fuchses längst wahrgenommen hatte – daß die Zimmertür sich geöffnet hatte. Er wollte kein Wagnis eingehen.
    Zwar war die Tür von einer harmlosen Person, das heißt von Sulien Blount, geöffnet worden, aber dicht hinter ihm stand Subprior Herluin, drohend wie eine Gewitterwolke.
    Donata lag lächelnd da und hieß den blitzenden Witz gut, mit dem Tutilo den Kurs so schnell, ohne Bruch, ohne Erröten zu wechseln vermochte. Gewiß, Herluin hatte seine strenge Stirn mißbilligend gerunzelt, als er seinen Novizen auf dem Bettrand einer Frau sitzen und ihr zum Vergnügen vorsingen sah; ein Blick auf die Frau selbst in ihrer schwindenden und dennoch beängstigenden Würde entwaffnete ihn indes sogleich. Es traf ihn um so mehr, als sie nicht alt, sondern in ihrer Blüte verwelkt war.
    Tutilo erhob sich bescheiden, drückte das Psalterium an seine Brust und zog sich, die Augen niedergeschlagen, pflichtbewußt in eine Ecke des Raumes zurück. Wenn er nicht zu ihr hinüberschaute, vermutete Cadfael, sah er sie um so deutlicher.
    »Mutter«, sagte Sulien, ernst und ein wenig ungelenk noch von der kleinen zurückliegenden Auseinandersetzung, »dies hier ist Subprior Herluin, mein einstiger Lehrer in Ramsey, der dir wohlgesinnt ist und für dich zu beten verspricht. Heiße ihn, wie ich, im Namen meines Bruders willkommen.«
    In Abwesenheit von Sohn und Schwiegertochter sprach sie gebieterisch für sie beide. »Vater, betrachtet unser Haus als das Eure. Euer Besuch ehrt uns. Es war für uns alle eine erfreuliche Nachricht, daß Ramsey wieder dem Dienste Gottes übergeben wurde.«
    »Gott hat uns fürwahr erhört«, sagte Herluin behutsam und weniger bestimmt als sonst, denn ihr Anblick hatte ihn erschüttert. »Aber es gibt noch viel für den Wiederaufbau unseres Hauses zu tun, und wir benötigen jeden Mann, der zur Hilfe überredet werden kann. Ich hatte gehofft, Euren Sohn mit mir zu nehmen, aber es scheint, ich darf ihn nicht länger Bruder nennen. Seid aber dennoch gewiß, daß er und Ihr in meinen Gebeten sein werdet.«
    »Und ich«, sagte Donata, »will in meinen Gebeten an Ramsey denken. Aber wenn das Haus Blount Euch auch einen Bruder verweigert hat, könnten wir dennoch auf andere Weise helfen.«
    »Wir erbitten die Barmherzigkeit aller guten Menschen«, erwiderte Herluin eifrig, »in welcher Form es auch sei. Unser Haus ist zerstört, und man ließ uns nichts als das nackte Mauerwerk, selbst die Wandtäfelungen wurden verbrannt oder man hat sie mitgenommen.«
    »Ich habe versprochen«, sagte Sulien, »nach Ramsey zurückzukehren und, wenn die Zeit es erlaubt, einen Monat lang selbst Hand anzulegen.« Er hatte sich noch nicht gänzlich von dem Schuldgefühl befreit, den Weg verlassen zu haben, den er törichter- und irrtümlicherweise eingeschlagen hatte. Er schätzte sich glücklich, sich mit harter Arbeit freikaufen und sein Gewissen entlasten zu können, bevor er seine Braut heimführte. Und Pernel Otmere würde ihm zustimmen und ihn gehen lassen.
    Herluin dankte ihm für das Angebot, wenn er auch nicht große Begeisterung zeigte, vielleicht zweifelte er noch, daß dieser aufsässige junge Mann überhaupt für Ramsey zu arbeiten willens war.
    »Ich werde auch mit meinem Bruder sprechen«, fuhr Sulien ernst fort, »und sehen, was wir sonst noch tun können. Es wird jetzt Holz geschlagen; sicher gibt es auch abgelagertes. Aus den Waldungen werden einige gutgewachsene Bäume gefällt.
    Ich will meinen Bruder um eine Ladung Bauholz für den Wiederaufbau bitten, und ich bin sicher, er wird mir das zugestehen. Ich werde

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