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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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auf meinen Anteil verzichten, bis ich in des Königs Dienste in Shrewsbury eintrete. Kann das Kloster einen Wagen für den Transport stellen? Eudo kann seinen Wagen nicht so lange entbehren.«
    Dieses opportune Angebot wurde von Herluin mit weit größerer Wärme entgegengenommen. Er war noch immer verstimmt, so dachte Cadfael, daß es ihm nicht gelungen war, allen Argumenten Suliens zu begegnen und den Abtrünnigen mit heimzunehmen, nicht nur für die in Aussicht gestellte Monatsfrist, sondern für immer. Nicht daß Sulien selbst von großem Wert war, aber Herluin war es nicht gewohnt, auf solch hartnäckigen Widerstand zu stoßen. Alle Barrieren hätten beim Schmettern seiner Posaunen fallen müssen, wie die Mauern von Jericho.
    Immerhin hatte er alles, was in seiner Macht stand, herausgeholt, und schickte sich deshalb an, Abschied zu nehmen. Die Ohren gespitzt, die Augen demütig gesenkt, hob Tutilo leise den Deckel der Truhe und legte das Instrument hinein, das er eben noch ans Herz gedrückt hatte. Die betonte Behutsamkeit, mit der er es verstaute und dann langsam den Deckel niederließ, bewirkte ein kurzes Zucken um Donatas fahlen Mund.
    »Ich möchte Euch um eine Gunst bitten, wenn Ihr mich erhören wollt«, sagte sie. »Euer Singvogel hat mir Freude und Behagen bereitet. Würdet Ihr mir, während Ihr hier in Shrewsbury weilt, diesen Trost für eine Stunde ausleihen, wenn ich nicht schlafen kann und Schmerzen erleide? Ich werde ihn nur rufen lassen, wenn ich seiner wirklich bedarf. Werdet Ihr ihn zu mir kommen lassen?«
    Sollte Herluin durch eine solche Bitte überrascht worden sein, so war er doch scharfsinnig genug, zu erkennen, daß er ihr gegenüber im Nachteil war; auch wenn er wohl hoffte, so dachte Cadfael, daß es ihr nicht recht bewußt war. In dieser Hoffnung täuschte er sich jedoch. Sie wußte nur zu gut, daß er ihr die Bitte nicht abschlagen konnte. Einen leicht zu beeinflussenden Novizen bei einer Frau musizieren zu lassen, noch dazu einer Frau im Bett, war undenkbar, ja skandalös. Nur war diese Frau so vertraut mit dem Tode, daß ihre Stimme schon das leise Knarren der sich öffnenden Tür in jene andere Welt vernehmen ließ und die durchscheinende Blässe der körperlosen Seele bereits in ihrem Gesicht gegenwärtig war.
    Sie war nicht mehr empfänglich für die Schicklichkeiten dieser Welt, noch fürchtete sie die schrecklichen Zweifelhaftigkeiten der kommenden.
    »Musik bringt mir Frieden«, sagte sie und wartete geduldig auf seine Zustimmung. Der junge Mann in seiner Ecke stand stumm und ergeben da, aber unter den langen gesenkten Wimpern leuchteten seine bernsteinfarbenen Augen erfreut, ernst, wachsam.
    »Wenn Ihr in äußerster Not nach ihm ruft«, entgegnete Herluin schließlich, seine Worte sorgfältig wählend, »wie könnte unser Orden eine solche Bitte ausschlagen? Wenn Ihr nach ihm ruft, wird Bruder Tutilo kommen.«

2. Kapitel
    Kein Zweifel, wie er zu seinem Namen gekommen ist«, sagte Cadfael, als er sich am nächsten Morgen nach dem Hochamt in Bruder Anselms Klosterwerkstatt aufhielt. »So entzückend wie eine Lerche.«
    Sie hatten die Lerche soeben singen gehört und in der Nische des Kantors innegehalten, um zuzusehen, wie sich die Kirchgänger, darunter auch die Besucher aus dem Gästehaus, zerstreuten. Für Unterkunftsuchende war es ratsam, wenn auch nicht verpflichtend, wenigstens die wichtigste Messe des Tages zu besuchen. Im Monat Februar gab es für Bruder Denis, den Hospitarius, nicht allzuviel zu tun, dennoch waren immer ein paar Reisende auf der Suche nach Quartier.
    »Der Junge ist hochbegabt«, stimme Anselm zu. »Ein feines Gehör und ein ausgezeichnetes Gespür für Wohlklang.
    Allerdings keine Stimme für einen Chor«, fügte er hinzu, »dazu sticht sie zu sehr hervor. Dieses Licht läßt sich nicht unter den Scheffel stellen.«
    Das brauchte man nicht länger zu erörtern; das Urteil war bereits gefällt. Niemand, an dessen Ohr dieser reine, strahlende und dabei doch so sanfte Gesang gedrungen war, hätte das bestreiten können. Es war undenkbar, diese Stimme der Namenlosigkeit eines Chores unterzuordnen. Cadfael fragte sich, ob es nicht ebenso kurzsichtig war, zu versuchen, den Besitzer dieser Stimme zu einer angepaßten Seele in einer disziplinierten Bruderschaft machen zu wollen.
    »Bruder Denis’ provenzalischer Gast hat, als er den Jungen vernahm, sogleich die Ohren gespitzt«, bemerkte Anselm.
    »Gestern abend bat er Herluin, ihn am Probesingen in der

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