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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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blieben und das lahme Pferd bald wieder geheilt war, würden sie genauso rätselhaft wieder von dannen ziehen, wie so viele, die für einen Tag oder eine Woche unter dem gastfreundlichen Dach Zuflucht suchten und dann weiterzogen und nichts von sich zurückließen. Cadfael verscheuchte die sinnlosen Gedanken an Menschen, die als Fremdlinge vorübereilten, seufzte und machte sich auf den Weg zurück in die Kirche, um der heiligen Winifred ein kurzes Gebet zuzuflüstern, bevor er sich an seine Gartenarbeit machte.
    Doch es schien, als hätte schon jemand vor ihm das Bedürfnis verspürt, der heiligen Winifred nahe zu sein.
    Tutilo erflehte etwas von der Heiligen, denn er kniete auf der untersten Stufe ihres Altars, wobei sich seine Silhouette scharf gegen den Schein der Kerzen abzeichnete. Er war so vertieft in sein Gebet, daß er Cadfaels Schritte auf den Fliesen nicht vernahm. Sein eifriges, leidenschaftliches Gesicht war zum Lichte erhoben, seine Lippen bewegten sich rasch und stumm, seine Augen waren weit geöffnet, seine Wangen glühten im vollen Vertrauen darauf, seine Bitte erfüllt zu bekommen. Was Tutilo tat, das tat er mit aller Kraft und aus vollem Herzen. Für ihn war ein einfacher an den Himmel gerichteter Wunsch, wenn auch durch eine freundlich geneigte Heilige vermittelt, wie ein Kampf mit den Engeln und ein Streitgespräch mit den Doktoren der Theologie. Und als er sich jetzt von den Knien erhob, geschah es mit einem frohlockenden Satz und einem stolzen Heben des Kinns, als wüßte er schon, daß er sich durchgesetzt hatte.
    Als er nun jemand Fremdes hinter sich gewärtigte und sich nach dem Neuankömmling umdrehte, geschah es mit äußerst zurückhaltender und bescheidener Miene, wobei Stolz und Hochgefühl wie von Zauberhand aus seinem Antlitz verschwunden waren, so wie vorher in Donatas Schlafkammer sein Liebeslied – dort allerdings um Herluins willen – plötzlich und unmerklich in liturgischen Gesang übergegangen war.
    Gewiß, als er Cadfael erkannte, wich der devote Ernst ein wenig aus seinen Zügen, und ein gedämpfter Schimmer schlich sich behutsam zurück in seine bernsteinfarbenen Augen.
    »Ich bat sie um Hilfe bei unserem schwierigen Unterfangen«, sagte er. »Heute predigt Vater Herluin am Marktkreuz von Shrewsbury. Wenn die heilige Winifred uns ihren Beistand gewährt, werden wir nicht scheitern.«
    Seine Augen wandten sich wieder dem Reliquienschrein auf dem Altar zu, wo sie liebevoll und voller Ehrfurcht verweilten.
    »Sie hat wunderbare Dinge getan. Bruder Rhun erzählte mir, wie sie ihn geheilt und zu ihrem wahren Diener gemacht hat.
    Und noch mehr solche Wunder… viele… Zum Tag ihrer Überführung kommen jedes Jahr Hunderte von Pilgern, das weiß ich von Bruder Jerome. Ich fragte ihn nach all den kostbaren Reliquien, die Euer Kloster gesammelt hat. Aber sie hier ist von allem wohl das Kostbarste.«
    Bruder Cadfael hatte natürlich keinen Grund, dem eifrigen Novizen zu widersprechen. Allerdings gab es unter den Reliquienschätzen, die hier im Laufe der Jahre von den Klosterbrüdern angesammelt worden waren, einige, an denen er gewisse Zweifel hegte. Steine vom Kalvarienberg und vom Ölberg – nun ja, Steine sind Steine, auf jedem Hügel gibt es ganze Haufen davon, und nur der Lieferant kann Auskunft über ihre Herkunft erteilen. Knochensplitter von Heiligen und Märtyrern, ein Milchtropfen der Heiligen Jungfrau, ein Stoffetzen ihres Kleides, ein Fläschchen mit dem Schweiß von Johannes dem Täufer, eine Strähne vom roten Haar Maria Magdalenas… alles handliches Reisegepäck; und zweifellos waren einige der aus dem Heiligen Land zurückkehrenden Pilger tatsächlich solche und glaubten zudem an die Echtheit dessen, was sie mitgebracht hatten; bei manchen von ihnen aber fragte sich Cadfael, ob sie jemals näher am Heiligen Land gewesen waren als bis zur nächsten Schenke. Aber bei der heiligen Winifred war er sich sicher, hatte er sie doch eigenhändig aus walisischer Erde gehoben und eigenhändig und ehrfürchtig wieder zurückgelegt und die fruchtbare Erde von Gwytherin über ihren Gebeinen verteilt. Was sie ihm und Shrewsbury in Abwesenheit vermacht hatte, war der schützende Schatten ihrer rechten Hand und ein halbschuldiges und halbheiliges Andenken an eine fast persönliche Zuneigung und Güte. Wenn er sie anrief, hörte sie ihm zu. Er versuchte, ihr nur vernünftige Bitten vorzutragen. Aber ohne Zweifel lauschte sie diesem überzeugenden und leidenschaftlichen jungen Mann

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