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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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mit gleicher Aufmerksamkeit und gewährte ihm, wenn auch nicht jede Bitte, so doch alles, was gut für ihn war.
    »Ach hätte doch«, flüsterte Tutilo mit seinem inbrünstigsten und unwiderstehlichsten Strahlen, »hätte doch Ramsey auch eine solche Schutzpatronin! Dann wäre unser zukünftiger Ruhm gesichert. All unser Unglück wäre vorüber. Tausende von Pilgern würden kommen, und ihre Gaben würden unser Haus reich machen. Warum sollten wir kein zweites Compostela werden?«
    »Es mag Eure Aufgabe sein«, bemerkte Cadfael trocken, »für die Bereicherung Eures Klosters zu arbeiten. Für eine Heilige aber ist das keineswegs die erste Pflicht.«
    »Nein, aber es geschieht doch oft«, entgegnete Tutilo unbeeindruckt. »Und Ramsey braucht und verdient eine besondere Gnade nach allem Unglück, das ihm widerfahren ist.
    Es kann doch nicht falsch sein, für seine Bereicherung zu beten. Schließlich erbitte ich nichts für mich selbst.« Das aber stellte er rasch richtig. »Doch, ich möchte mich hervortun. Ich möchte meinen Brüdern und meinem Kloster von Nutzen sein.
    Das ist mein Begehr.«
    »Und dies Begehr«, entgegnete Cadfael belustigt, »wird sie mit Wohlgefallen zur Kenntnis nehmen. Und so seid Ihr Eurem Kloster von Nutzen. Mit Gaben wie den Euren könnt Ihr Euch glücklich schätzen. Geht und tut für Ramsey Euer Bestes in der Stadt und auch in Worcester oder Pershore oder Evesham …
    Was mehr kann man von Euch verlangen?«
    »Was ich tun kann, will ich tun«, stimmte Tutilo entschlossen, wenn auch immer noch leicht entrückt, zu, und dabei ruhten seine Augen weiterhin liebevoll auf Winifreds Reliquienschrein, der im Kerzenlicht schimmerte.
    »Aber solch eine Schutzpatronin… was könnte sie nicht alles tun, um unseren Reichtum wiederherzustellen! Bruder Cadfael, wollt Ihr uns nicht verraten, wo wir eine ähnliche finden könnten?«
    Damit nahm er fast widerwillig Abschied und blickte von der Tür noch einmal zurück, bevor er von dannen zog, um sich Herluins Anweisungen zu fügen und zu versuchen, die Schnüre der Geldbeutel der braven Bürger von Shrewsbury ein wenig zu lockern.
    Cadfael schaute der schlanken Gestalt mit dem federnden Gang nach und wurde beim Anblick der allzu langen Locken und der zarten jugendlichen Linie des Nackens plötzlich von leichten Zweifeln befallen. Nun ja! Nur wenige Menschen sind genau so, wie sie beim ersten Kennenlernen erscheinen, und er kannte den jungen Mann ja kaum.
    In feierlicher Prozession brachen sie zur Stadt auf, und Prior Robert trug mit seiner würdevollen Gegenwart zur Bedeutung des Anlasses bei. Der Sheriff hatte den Bürgermeister und den Gildemeister der Stadt benachrichtigt und überließ es ihnen, dafür zu sorgen, daß ganz Shrewsbury die Anwesenheit als Pflicht erachten würde. Einem so angesehenen Kloster in Not Almosen zu spenden, war eine unfehlbare Möglichkeit, Verdienste zu erwerben, und in solch einer großen Stadt mußte es viele geben, die bereit waren, sich für einen bescheidenen Preis von der ewigen Verdammnis freizukaufen.
    Herluin kehrte so sichtlich zufrieden von seinem Raubzug zurück, und Tutilo schleppte einen so schweren Sack, daß jeder erkennen konnte, daß sie reiche Ernte gemacht hatten. Die folgende Sonntagspredigt von der Gemeindekanzel der Klosterkirche vermehrte die Ausbeute noch, und die Truhe, die Radulfus zur Verwahrung der Spenden gestiftet hatte, wurde noch schwerer. Dazu hatten drei Handwerker – ein Zimmermann und zwei Steinmetzgesellen – sich angeboten, mit nach Ramsey zu reisen und beim Wiederaufbau der ausgebrannten Scheune und des Lagerhauses behilflich zu sein. Das Unternehmen schritt also sehr erfolgreich voran.
    Selbst Rémy de Pertuis hatte eine beachtliche Menge an Silbermünzen gespendet, wie es sich für einen Musiker geziemte, der seinerzeit liturgische Werke für zwei verschiedene Kirchen in der Provence komponiert hatte.
    Sie hatten nach der Messe kaum die Kirche verlassen, als ein Reitknecht aus Longner, ein Ersatzpferd mit sich führend, angeritten kam, um ein Ersuchen von Lady Donata vorzubringen. Würde Subprior Herluin erlauben, daß Bruder Tutilo ihr einen Besuch abstatte? Da es schon recht spät sei, habe sie ein Pferd für ihn bereitgestellt und versprochen, daß er rechtzeitig zur Komplet, zum Tagesschlußgebet, zurück sei.
    Tutilo fügte sich mit größter Demut, aber mit glänzenden Augen dem Willen seines Vorgesetzten. Unbeaufsichtigt zu Donatas Psalterium oder der vernachlässigten Harfe

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