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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Schätze zurückzuerhalten. Alle Gaben der Bürger von Shrewsbury, ganz gleich ob sie nun von Herzen oder aus Gewissensgründen gespendet wurden, all der von Donata selbstlos geschenkte Schmuck – alles dahin und geraubt von den flüchtigen Schuften, und wie weit die inzwischen geflohen waren, wußte niemand.
    »Das war’s denn wohl«, sagte Prior Robert bekümmert.
    »Herr…« Der Vogt trat näher zu Herluin und beugte sich vertraulich zu dessen Ohr hin. »Es wurde noch etwas zwischen den Stämmen gefunden. Gut darunter verborgen war es, sonst hätten es die Schurken entdeckt, als sie die Last abwarfen, oder aber der erste, der sich das Bauholz holen wollte. Der Zufall indes sorgte dafür, daß es gut versteckt dalag und erst ans Licht kam, als ich zum ersten Mal an der Stelle war. Und als wir es auswickelten, wußte ich gleich, daß wir die Finger davon lassen sollten.«
    Aller Aufmerksamkeit und aller Augen waren jetzt auf ihn gerichtet, Herluin und Robert im Begriff, wider alle Vernunft zu hoffen, argwöhnisch freilich und auf der Hut vor Enttäuschung, Nicol neugierig und dabei verwirrt, wußte er doch nichts vom Verlust des Heiligenschreins und von der Möglichkeit, daß er sich auf seinem Wagen befunden haben und mit allem anderen hätte geraubt werden können. Tutilo hielt sich im Hintergrund und blieb, während seine Vorgesetzten sich berieten, bescheiden abseits stehen. Er hatte sogar, wie er es bei Bedarf zu bewirken vermochte, das Strahlen seiner bernsteinfarbenen Augen gedämpft.
    »Und was ist das für ein Ding, das Ihr gefunden habt?« fragte Hugh mit aller Vorsicht.
    »Ein Sarg, Herr, der Form nach. Nicht sehr groß, wenn es denn einer ist; und wer immer auch darin liegen mag, muß zartgliedrig und schlank gewesen sein. Mit Silber verziert ist er, so kostbar, daß er vor niemandem sicher war. Deshalb habe ich ihn in meine Obhut genommen.«
    »Und was«, ließ sich jetzt Prior Robert vernehmen, der bei der Aussicht auf einen Triumph zu strahlen begann, »was habt Ihr mit diesem Sarg gemacht?«
    »Ich habe ihn meinem Herrn gebracht, da er auf dessen Territorium gefunden wurde. Ich wollte nicht riskieren, daß einem Bewohner meines Dorfes oder jemandem aus der Gegend der Diebstahl eines so wertvollen Gegenstandes angelastet werden könnte. Graf Robert hielt und hält sich noch auf seinem Landgut Huncote auf«, sagte der Vogt. »Wir haben den Sarg dorthin gebracht und Graf Robert berichtet, wie wir ihn gefunden haben. Er steht jetzt dort im Gutssaal, wo er mit Gewißheit sicher aufgehoben ist.«
    »Lob sei dem Herrn, der uns wundersames Erbarmen erweist!« stieß Prior Robert verzückt hervor. »Mich dünkt, wir haben die Heilige wiedergefunden, deren Verlust wir schon beklagten.«
    Einen flüchtigen Augenblick lang sah Hugh das Gesicht von Bruder Cadfael vor sich, so wie es sich wohl kaum merklich verzogen hätte, wäre er hier gewesen, um sich an der Ironie der Situation zu ergötzen. Doch beide, sowohl die jungfräuliche Heilige als auch der reuelose Sünder, mußten nach menschlichem Maß beurteilt werden. Und vielleicht hatte Cadfael letzten Endes doch recht, wenn er ganz einfach vom »armen Columbanus« sprach. Gebe Gott, dachte Hugh, halb belustigt, halb besorgt, gebe Gott, daß die Heilige so gnädig und rücksichtsvoll war, den Deckel ihres Schreins fest verschlossen zu halten, damit wir uns doch noch ohne Skandal aus dieser Affäre ziehen können. Wie auch immer, der nächste Schritt war vorgezeichnet.
    »Sehr gut!« sagte Hugh, scheinbar gleichgültig. »Dann wollen wir uns nach Huncote begeben und beim Grafen vorsprechen.«
    Huncote war ein sauberes kleines Dorf. Die Wiesen, die zum Landsitz gehörten, waren groß und grün, die Äcker fruchtbar, und in der Mühle war von früh bis spät zu tun. Das Dorf lag eine gute Meile vom Waldrand entfernt und schmiegte sich eng an das Herrenhaus, das von einer Mauer umgeben war. Das Haus war nicht sonderlich groß, aber aus Stein errichtet und mit einem gedrungenen Turm versehen, der an einen Bergfried erinnerte. Die einreitenden Fremden wurden von der Dienerschaft sogleich mit ungeheurer Wachsamkeit empfangen, die wohl darauf zurückzuführen war, daß sich der Graf zur Zeit hier aufhielt. Stallburschen waren sofort zur Stelle, um die Zügel der Rösser zu ergreifen, und ein schmucker Page kam die Stufen des Eingangs herabgeeilt, um die Neuankömmlinge zu begrüßen und nach dem Grund ihres Besuches zu fragen, wurde aber von einem älteren

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