Der Fromme Dieb
Verwalter, der aus den Ställen aufgetaucht war, beiseite gewunken. Das Erscheinen der drei Benediktiner, zwei davon offenbar höheren Ranges, und der zwei Weltlichen, einer davon von einem Stand, der dem kirchlichen ebenbürtig, jedoch deutlich säkularer Art war, ließ die Begrüßung höflich, wenn auch kühl ausfallen. Hier wurde jedem Besucher Gastfreundschaft entgegengebracht, Wärme indes erst nach einem entsprechenden Austausch.
In einem Land, das noch immer zwischen zwei rivalisierenden Machthabern zerrissen war und geplagt von zahllosen gleichgültigen Herren, denen nur an der Vermehrung der eigenen Macht gelegen war, kamen weise Männer zwar ihren gastlichen Verpflichtungen nach und öffneten allen ihre Häuser, prüften aber erst genau deren Lauterkeit, bevor sie sich ihnen selbst öffneten.
»Hochwürden, verehrte Herren«, sagte der ältere Mann.
»Seid willkommen auf Robert Beaumonts Landsitz Huncote, dessen Verwalter ich bin. Wie kann ich dem Benediktinerorden und seinen Begleitern zu Diensten sein? Führen Euch geschäftliche Angelegenheiten hierher?«
»Wenn Graf Robert hier ist und uns empfangen will«, sagte Hugh, »so hätten wir tatsächlich eine geschäftliche Angelegenheit mit ihm zu besprechen. Wir kommen wegen eines Gegenstandes, der aus der Abtei von Shrewsbury verschwunden ist und, wie wir erfahren haben, hier in den Wäldern des Grafen aufgefunden wurde. Eine Angelegenheit, die mit den Reliquien einer Heiligen zu tun hat. Euer Herr wird es vielleicht sogar kurzweilig oder zumindest doch aufschlußreich finden, denn er muß sich gefragt haben, was man ihm da vor die Tür gelegt hat.«
»Ich bin der Prior von Shrewsbury«, sprach Robert mit feierlicher Würde, fand aber nur wenig Beachtung. Der Verwalter war ein betagter, erfahrener und intelligenter Mann, und obwohl er nur Aufseher eines kleineren Gutes von Leicesters gewaltigen Besitztümern war, die teilweise auch außer Landes lagen, besaß er wegen seiner Scharfsicht das volle Vertrauen seines Herrn und wußte genau Bescheid über den mysteriösen und kunstvollen Sarg, den man unter so unerklärlichen Umständen in den Wald bei Ullesthorpe geworfen hatte.
»Ich bin König Stephens Sheriff von Shropshire«, sagte Hugh, »und auf der Suche nach der erwähnten Heiligen. Wenn Euer Herr sie sicher geborgen hat, so hat er Anspruch auf die Gebete aller Brüder von Shrewsbury und darüber hinaus von halb Wales.«
»Ein oder zwei zusätzliche Gebete können keinem Menschen schaden«, sagte der Verwalter, sichtlich aufatmend. »Tretet ein, Brüder, und seid herzlich willkommen. Robin hier wird Euch den Weg weisen. Um Eure Tiere kümmern wir uns.«
Der Junge, keck und lebhaft und etwa sechzehn Jahre alt, hatte mit gespitzten Ohren gelauscht, als sie den Anlaß ihres Besuches kundtaten. Es handelte sich wohl um den jüngeren Sohn eines der Pächter von Leicester, der als pflichtbewußter Vater diese Stellung für den Sohn besorgt hatte, die einen Aufstieg nicht ausschloß. Und nach der ungezwungenen Art des Jungen zu urteilen, war Leicester, so dachte Hugh, kein strenger Herr für jemanden, der offenbar seinen Anforderungen entsprach. Den Blick über die Schulter werfend, sprang der Knabe vor ihnen die Treppe hinauf und betrachtete sie mit leuchtenden Augen.
»Mein Herr ist aus der Stadt hergekommen, als bekannt wurde, daß diese Banditen unsere Wälder durchquerten, gesehen aber hat sie keiner von uns. Sicher sind sie längst über alle Berge. Er wird die Zerstreuung schätzen, da Ihr solch seltsame Geschichten zu erzählen habt. Er hat seine Gemahlin in Leicester zurückgelassen.«
»Und der Reliquienschrein ist hier?« fragte Prior Robert, begierig, eine Bestätigung seiner schönsten Hoffnungen zu hören.
»Wenn es wirklich der Schrein ist, Vater, dann ja.«
»Und er hat keinen Schaden genommen?«
»Nicht, daß ich wüßte«, sagte der Junge, eifrig bemüht, gefällig zu sein. »Aber aus nächster Nähe habe ich ihn noch nicht gesehen. Doch ich weiß, daß der Graf die Silberarbeit sehr bewundert hat.«
Er ließ sie in einem holzgetäfelten Empfangszimmer jenseits des Gutssaals zurück, um seinem Herrn die unerwarteten Gäste zu melden, und keine fünf Minuten später öffnete sich die Tür vor dem Herrn, dem halb Leicestershire, ein gutes Stück Warwickshire und Northampton gehörte und dazu ein bedeutender Titel in der Normandie, den ihm seine Ehe mit der Erbin von Breteuil eingebracht hatte.
Hugh, der ihm noch nie persönlich
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