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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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des Grafen darstellte. Er blickte mit einem entwaffnenden Lächeln von einem zum anderen.
    »Das also ist mein Standpunkt. Sollten die Brüder in Shrewsbury die Narren gefunden haben, die die Heilige entführten, gibt es keinen Streit zwischen uns. Sollten sie aber keinen solchen ermittelt haben, so habe einzig ich einen berechtigten Anspruch. Meine Herren, um nichts in der Welt möchte ich Richter in einer Angelegenheit sein, in der ich eine Partei unter dreien vertrete. Ich beuge mich gern einem unvoreingenommenen Tribunal. Wenn Ihr morgen nach Shrewsbury aufbrecht, muß auch die heilige Winifred mitreisen.
    Und auch ich will eine Eskorte für diese Reise stellen. Ich werde selbst mit Euch reiten.«

5. Kapitel
    Bruder Cadfael hatte sich auf den Weg zum Weiler Preston gemacht, um den jungen Aldhelm aufzusuchen. Der aber half, wie er dort erfuhr, beim Lammen auf den Weiden des Upton-Lehnguts am Flußufer. Da die Schäfer mehrere Mutterschafe vor den steigenden Wassern retten mußten, waren sie Tag und Nacht beschäftigt. Bei seinem zweiten Versuch begab sich Cadfael geradewegs nach Upton, um dort zu erfragen, wo der junge Schäfer zu finden war, und so legte er beherzt eine weitere Meile zu einem Pferch auf einer leichten Erhebung zurück, von der aus man die überschwemmten Wiesen überblicken konnte.
    Als er Cadfael sah, erhob sich Aldhelm, der neben einem neugeborenen Lamm kniete, das, umhätschelt von seiner Mutter, auf seinen wackeligen Beinen zu stehen versuchte. Der Schäfer war ein junger Bursche, breitschultrig und stämmig, dabei aber äußerst flink und geschmeidig in seinen Bewegungen. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht und dichtes rötliches Haar. Als er herbeigeholt worden war, um bei der Bergung der Klosterschätze behilflich zu sein, hatte er ohne Neugier, aber pflichtbewußt und gewissenhaft alles ausgeführt, was man ihm aufgetragen hatte.
    »Ja, Bruder, ich war dort. Ich bin hinuntergegangen, um Gregory und Lambert beim Bauholzverladen zu helfen, und Bruder Richard bat uns, verschiedene Klosterschätze fortzutragen. Es war noch ein anderer Mönch da, einer aus dem Gästehaus, der alle möglichen Gegenstände von den Altären geschleppt hat. Er schien sich in der Kirche bestens auszukennen und zu wissen, wo anzupacken war. Ich habe nur das getan, was man mir auftrug.«
    »Und hat irgend jemand Euch später am Abend noch aufgetragen, ihm zu helfen, ein langes Bündel auf den Wagen mit dem Bauholz zu heben?« fragte Cadfael ohne Umschweife, aber auch ohne große Erwartungen. Die simple Antwort verblüffte ihn.
    »Ja, gewiß. Der Mönch sagte, das Bündel gehöre auf den Wagen, der für Ramsey bestimmt sei, und wir verstauten es zwischen den Hölzern. Dort haben wir es gut verkeilt, so daß ihm kein Schaden zugefügt werden konnte.«
    Ihm war schon genug Schaden widerfahren, doch das konnte der junge Schäfer nicht wissen. »Und die beiden Männer von Longner haben es nicht bemerkt«, sagte Cadfael. »Wie war das möglich?«
    »Wie das möglich war? Es war stockfinster, und es regnete, und die beiden waren damit beschäftigt, das Holz ans hintere Ende des Longner-Karrens zu ziehen, damit es später leichter abgeladen und hinübergetragen werden konnte. Dabei können sie uns leicht übersehen haben. Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht; ich tat, was der Bruder von mir erbat – nur noch diesen letzten Gegenstand fortzuschaffen. Ich glaubte, er wußte, worum es ging. Es geziemt sich für uns nicht, neugierig zu sein, was die Angelegenheiten des Klosters betrifft.«
    Mit Sicherheit wußte jener Bruder nur zu genau, worum es ging, und es bestand wenig Zweifel daran, um wen es sich handelte, doch ohne Zeugen konnte er nicht angeklagt werden.
    »Was war das für ein Bruder? Habt Ihr schon vorher mal mit ihm in der Kirche gesprochen?«
    »Nein, er kam herausgerannt und packte mich im Dunkeln am Ärmel. Es regnete, und die Kapuze hing ihm tief ins Gesicht.
    Gewiß ein Benediktinerbruder, so viel kann ich sagen. Nicht sehr groß, etwas kleiner als ich. Der Stimme nach jung. Was gäbe es sonst noch zu sagen? Nun, wenn ich ihn sähe, würde ich ihn trotzdem wiedererkennen«, sagte er bestimmt.
    »Einmal im Dunkeln gesehen, dazu mit einer Kapuze? Und Ihr würdet ihn wiedererkennen?«
    »Das würde ich bestimmt. Als ich mit ihm zurück in die Kirche ging, brannte die Altarlampe noch. Ich sah sein Gesicht kurz aus der Nähe, als ein Eichtstrahl darauffiel. Müßte ich ihn beschreiben, so sah er wie

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