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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Heimweg anzutreten, war still und ernst, aber durchaus herzlich. Der Ältere der beiden beugte sich aus seinem Sattel zu ihm hinab, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und sagte ihm ein oder zwei Worte ins Ohr, bevor sie an der Abteivorstadt vorbei in Richtung Pferdemarkt davontrabten.
    Cadfael war schon seit über einer Stunde wach und auf den Beinen. Er hatte die Zeit damit ausgefüllt, an den buschigen Rändern seiner Bohnenfelder und am Ufer des Mühlteiches die weißen, eben erst aufgesprungenen Knospen des Schwarzdorns zu pflücken. In diesem frühen Stadium eigneten sie sich am besten zum Aufbrühen, um jenes wirksame Purgativum für die alten, bettlägerigen Männer im Hospital herzustellen, die sich nicht mehr genügend Bewegung verschaffen konnten. Eine sehr nützliche Pflanze, dieser Schwarzdorn, gut gegen fast alles, was die Eingeweide des Menschen plagt, vorausgesetzt Knospe, Blüte oder bittere schwarze Beere wurden im richtigen Augenblick geerntet. Gut auch in Hecken, um Vieh und Schafe von bepflanzten Beeten fernzuhalten.
    Immer wieder unterbrach er seine Arbeit, um im großen Hof nach dem zurückkehrenden Tutilo Ausschau zu halten. Sein Ränzel war schon mit den kleinen weißen Blüten gefüllt, als er den Weg zum siebten Male antrat, bevor er endlich die drei Reiter beim Torhaus entdeckte. Er blieb stehen und beobachtete, wie Tutilo vom Pony stieg, freundschaftlich von seinen Wachen Abschied nahm und langsam auf die Tür des Pförtnerhauses zuging, als wollte er selbst den Schlüssel abholen, um sich pflichtgetreu in seine Gefangenschaft zurückzubegeben.
    Er ging ein wenig schwankend, und sein blonder, gelockter Haarkranz fiel über etwas, was er fest in den Armen hielt.
    Einmal stolperte er auf dem Pflaster. Das Licht, das sich an den Stellen, auf die die schrägen Strahlen bereits fielen, schon zu einem Blaßgold aufgehellt hatte, ließ das Torhaus und den Hof innerhalb der Klostermauern weiterhin im Schatten. Tutilo hielt den Blick starr auf die Pflastersteine gerichtet, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, als könnte er seinen Weg nicht deutlich sehen. Cadfael ging ihm entgegen, und der Pförtner, der draußen Geräusche vernommen hatte, öffnete die Tür, blieb auf der Schwelle stehen und überließ es Cadfael als dem Älteren, sich des zurückgekehrten Gefangenen anzunehmen.
    Tutilo schaute erst auf, als Cadfael schon dicht vor ihm stand, und blinzelte, so als hätte er Schwierigkeiten, selbst ein vertrautes Gesicht wiederzuerkennen. Seine Augen waren rot umrändert, ihr goldener Schimmer getrübt von einer schlaflosen Nacht und vielleicht auch vom Weinen. Die Last, die er mit so seltsamer Zärtlichkeit trug, war eine Riementasche aus weichem Leder mit einem starren Gegenstand, den er mit den Armen umfing und sorgsam ans Herz preßte; der Riemen war fest um die eine Faust gewickelt, als fürchte Tutilo, die Tasche könnte ihm entrissen werden. Er blickte über seinen Schatz hinweg zu Cadfael auf, und kleine, argwöhnische Funken blitzten in seinen Augen auf, die rasch in Furcht und Schmerz übergingen. Mit ausdrucksloser Stimme sagte er: »Sie ist tot.
    Nicht ein Aufbegehren, nicht ein Seufzen. Ich dachte, ich hätte sie in den Schlaf gesungen. Ich sang weiter… Stille hätte ihre Ruhe stören können…«
    »Ihr habt sie im wahrsten Sinne in den Schlaf gesungen«, sagte Cadfael. »Sie hat lange Zeit auf Ruhe gewartet. Nichts wird sie jetzt mehr stören.«
    »Ich bin so schnell aufgebrochen, wie es mir angemessen erschien. Ich wollte sie nicht verlassen, ohne geziemend Abschied zu nehmen. Sie war so gut zu mir.« Damit meinte er offenbar nicht die Güte einer Herrin gegenüber einem Diener oder die einer Gönnerin gegenüber einem Schützling. Da war eine andere Art von Güte zwischen ihnen gewesen, wohltuend für beide. »Ich fürchtete schon, Ihr könntet denken, ich würde nicht zurückkommen. Doch der Priester sagte, sie würde die Nacht nicht überleben, deshalb konnte ich sie nicht verlassen.«
    »Es war keine Eile vonnöten«, sagte Cadfael. »Ich wußte, Ihr würdet zurückkommen. Seid Ihr hungrig? Kommt mit in die Loge des Pförtners und setzt Euch eine Weile; wir holen Euch etwas zu essen und zu trinken.«
    »Nicht nötig… Man hat mich bewirtet. Man hätte mir auch ein Bett gegeben, aber es war ja nicht vereinbart, daß ich dort bleibe, wenn ich nicht länger gebraucht werde. Ich habe mich an die Abmachung gehalten.« Er wurde von einem plötzlich Gähnanfall

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