Der frühe Vogel kann mich mal: Ein Lob der Langschläfer (German Edition)
Wiederholung einer Nachricht ist, die bereits gelaufen ist. Das kommt durchaus vor.« Zwei Leute – ein Redakteur und ein Dienstleiter – bilden die Besetzung in der Nacht. Sie lesen, beurteilen, ordnen und redigieren die eingehenden Meldungen, verfertigen die Nachrichten und geben diese dem Sprecher zum Einlesen – idealerweise fünf Minuten vor Sendung. »Aber es kann auch sein, dass wir während der laufenden Sendung noch Eilmeldungen nachreichen, wenn wir das für notwendig halten.«
Das beurteilen zu können erfordert Erfahrung, Kenntnis und Routine. Denn in der Nacht ist es schwer oder gar unmöglich, jemanden für Rückfragen an den Hörer zu bekommen und vage Fakten zu prüfen. Die Nacht biete freilich die Chance für Hinterbänkler und diejenigen, die sonst überhört werden, erzählt Bertolaso. Leute, die tagsüber im parlamentarischen Geschehen nur geringes Gewicht haben, melden sich hier eher zu Wort. Mit der Gefahr, dass Sachverhalte verkürzt dargestellt werden. »Neulich haben ein paar Politiker aus der Opposition etwas zum Sparpaket der Regierung gesagt. In der Agenturmeldung stand dann: ›Die SPD ist der Meinung …‹. Das war aber falsch. Denn nicht die SPD als Partei hatte sich dazu geäußert, sondern nur eine kleine Gruppe innerhalb der Partei.« Ginge so eine Nachricht wörtlich über den Sender, könnte Missmut und vielleicht auch Schaden entstehen. Deshalb ist hier wie in vielen anderen Fällen Vorsicht geboten.
Ein weiterer Schwerpunkt der Nacht-Nachrichten sind Auslandsmeldungen. Denn wenn bei uns die Lichter ausgehen, klingeln in Los Angeles oder Tokio die Wecker. Wie bei den Nachrichten ist auch hier Routine in der Einschätzung gefragt. »Wenn uns etwa die Meldung erreicht, in Bangladesch habe es ein Erdbeben der Stärke 6,8 gegeben, und wir, um unseren Hörern einen Vergleich zu bieten, hinzufügen, dass bei einem Erdbeben der Stärke 6,8 im Jahre zuvor mehrere 100 Menschen umgekommen sind, kann das völlig in die Irre führen und Panik schüren. Wir wissen ja noch gar nicht, welche Folgen das neue Beben tatsächlich hatte.« Natürlich kann Marco Bertolaso die Korrespondenten der jeweiligen Region anrufen, aber auch das ist nicht immer der richtige Weg: »Wenn ich davon ausgehen kann, dass diese wie ich ebenfalls nur im Internet auf bestimmten Seiten nachgucken und nicht direkt Zugang zu einer Kontaktperson haben, kann ich mir und ihnen auch einen Anruf ersparen, denn dann gehe ich selbst ins Netz.«
Einsteigern empfiehlt Bertolaso neben einschlägiger Praxis, etwa bei einer Tageszeitung, unbedingt Auslandserfahrung. »Es ist bei uns notwendig zu wissen, wodurch sich die politischen Systeme unterscheiden, wer etwa in anderen EU-Staaten für was zuständig ist. Fremdsprachenkenntnisse sind ebenfalls von Vorteil in einer Redaktion wie unserer, die Nachrichten aus aller Welt anbieten will.« Einsteiger müssen ohnehin ein paar Wochen zur Probe arbeiten. »Daran kann man schneller erkennen, ob jemand die Abläufe beherrscht, Sachkompetenz hat und in das Team hineinpasst, als durch einen tollen Lebenslauf,«
Eine Eigentümlichkeit gibt es noch beim Dienst in der Nacht, erzählt Bertolaso: »Das Publikum, das nachts zuhört, ist ein besonderes. Es ist kritischer und aufmerksamer als das Publikum am Tage. Vielleicht liegt es daran, dass tagsüber das Radio mit vielen anderen Medien konkurriert, diese Einflüsse aber bei Nacht wegfallen und man sich direkter mit dem Medium Radio konfrontiert sieht.« Deshalb klingeln immer wieder die Telefone: »Hörer haben Fragen, wollen mehr über eine laufende Meldung wissen, suchen Programmhinweise oder wollen einfach nur ein Lob loswerden«, erzählt der Nachrichtenchef. »Und sie bedanken sich auch oft bei uns, weil wir in der Nacht Themen behandeln, die tagsüber nicht im Fokus stehen.« Natürlich gibt es auch Querulanten, aber die sind eher selten, und es gibt Mittel und Wege, sie zu beruhigen. »Bei uns wird jeder Hörer freundlich und geduldig behandelt«, versichert Bertolaso. Und das nicht nur weil man sein Publikum schätzt, sondern auch, weil man Werbung in eigener Sache machen möchte: »Wir hoffen darauf, dass unsere Zuhörer uns an andere Nachteulen weiterempfehlen.«
Jeder kann sich als Journalist bezeichnen. Der Beruf ist gesetzlich nicht geschützt. Dennoch empfiehlt es sich, ein klassisches Volontariat bei einer Tageszeitung zu durchlaufen – dort kann man Einblick in mehrere Schwerpunkte (Politik, Wirtschaft, Vermischtes,
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