Der Frühjahrsputz
genauso ruhiges Gemüt wie sie, erinnerst du dich?«
»Sie ist nicht ruhig, sie ist phlegmatisch.« Wieder entfernte sich Zoës Stimme. »In einer Minute«, sagte sie zu Ben, bevor sie sich erneut Quinn zuwandte. »Ich muss Schluss machen, dieser Mann bringt mich zum Wahnsinn. Ich hab dich lieb, hörst du, Q? Lass dich von den Alten nicht verrückt machen. Wenn du ein wenig Abstand brauchst, komm uns eine Weile besuchen.«
»Ich habe dich auch lieb, Zo. Tut mir leid wegen der Kopfläuse.«
»Die hätte ich täglich, wenn ich noch bei Mom und Dad wohnte«, erwiderte Zoë. »Such dir schnell eine Wohnung.«
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, blieb Quinn mit abwesendem Blick auf der Anrichte sitzen, knabberte an einem weiteren Cracker und versuchte, ihre Gedanken um die neuen Untiefen ihres ohnehin schon aufgewühlten Lebens zu steuern. Wegen Bill hatte sie kein schlechtes Gewissen, wahrhaftig nicht - nun, vielleicht ein bisschen, aber nicht genug, um zu ihm zurückzukehren. Niemals würde sie zu ihm zurückkehren. Nein, morgen würde sie sich auf die Suche nach einer Wohnung begeben, nach einem Ort ganz für sie allein - diese Vorstellung ließ ihr Herz schneller schlagen -, und dann würde sie mit Katie dort einziehen. Sie blickte hinunter zu Katie, die aufmerksam neben ihren Füßen wartete, und fütterte sie mit einem Vollkorncracker, den sie ohne Hast und ganz vorsichtig aus ihrer Hand fraß - sie könnte sich eigene Möbel kaufen, und vielleicht würde Nick ihr beim Umzug helfen Stell irgendwas an, das alle schockiert, hatte Zoë gesagt.
Ein Verhältnis mit dem Ex-Mann ihrer Schwester würde diesen Zweck erfüllen. Bei dem Gedanken daran überlief sie ein kleiner Schauer. Nick war das einzig Aufregende in ihrem ganzen Leben; wie konnte ihr das bisher entgangen sein? Er war stets der Ungestüme der Ziegler-Brüder gewesen, obwohl sie das nie richtig verstanden hatte, weil sie sich bei ihm immer so gut aufgehoben gefühlt hatte. Bis er sie so merkwürdig angesehen hatte. Bis sie seinen Blick erwidert und ihn wirklich wahrgenommen hatte, dunkel und gefährlich und voller unmöglich realisierbarer Verheißungen. Ohne Zweifel, er war der perfekte Mann, genau der, den sie jetzt brauchte: ein schlechter Kerl, der ihr niemals weh tun würde. Aufregung ohne Risiko.
Je mehr sie darüber nachdachte, desto besser schien er ihr geeignet, und desto wohler fühlte sie sich.
Nun musste sie ihn nur noch dazu bringen, nicht sofort schreiend das Weite zu suchen, sobald er sie sah, und dann wäre auch sie aufregend.
Genau wie Zoë.
Bill stand im Garten des kleinen weißen Holzhauses der McKenzies und verfluchte Quinns Mutter für ihre Begriffsstutzigkeit. Wahrscheinlich hatte sie Quinn noch nicht einmal gesagt, dass er dort war, sonst wäre sie sicherlich heruntergekommen, um mit ihm zu sprechen, und dann wären sie gemeinsam nach Hause gefahren. Er starrte zu dem hell erleuchteten Rechteck von Quinns Schlafzimmerfenster hinauf. Er konnte die Wand- und die Deckenlampe klar erkennen. Die Vorhänge waren nicht zugezogen. Das war unvorsichtig - wusste sie denn nicht, dass das unvorsichtig war? Fremde Männer könnten hineinschauen. Er hatte einen Moment lang nachdenken müssen, um sich an die Raumanordnung im ersten Stock zu erinnern, aber er war sicher, dass dies Quinns Fenster war, einsehbar und ungeschützt, so dass jeder hineinschauen konnte, und das war weiß Gott unvorsichtig.
Plötzlich erschien sie am Fenster, die Rundungen ihres Körpers von dem roten Pullover verhüllt; ihre Silhouette zeichnete sich scharf vor dem hellen Zimmerlicht ab. Sie streckte sich, um nach dem oberen Ende der Vorhänge zu greifen - er konnte die Außenwölbung ihrer Brust, die Innenwölbung ihrer Taille und wiederum die Außenkurve ihrer Hüfte erkennen -, und Bill spürte, wie sich sein Herz zusammenzog, er fühlte ihren Verlust in jedem Muskel und jeder Faser, schob dann jedoch diesen Gedanken beiseite, denn sie war nicht verloren, sie würden über alles reden, alles würde gut werden, und sie würden auf ewig zusammenbleiben und Söhne bekommen und die Abende mit einem gutem Essen zubringen und das Leben führen, wie er es geplant hatte - nein, sie würde ihn nicht verlassen.
Langsam zog sie die Vorhänge zu, bis sie das Fenster verdunkelten und er allein zurückblieb.
Mindestens noch eine halbe Stunde blieb er dort stehen, unempfänglich für die Kälte, bis das Licht hinter den Vorhängen erlosch und das Fenster in trüber
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