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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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musste, zu was Menschen auch ohne den Krieg als Rechtfertigung fähig waren. Vorausgesetzt und nicht zugestanden, dass der Krieg irgendetwas rechtfertigt, dachte er bitter. Er hatte es nicht geschafft, eine Familie zu gründen; es brauchte zu viel Mut dazu, ein Kind in diese Welt zu setzen. Also fand er sich seine Frauen irgendwo in der ausgehungerten Stadt, bezahlte sie und ging befriedigt zurück nach Hause.
    Er beobachtete sein Zeitalter genau und hielt sich kompromisslos fern von jedem neuen Regime, das zur Gewalt neigte. Damit hatte er sich ins Abseits befördert, sich des gesellschaftlichen Lebens und der Karriere, die ihm zugestanden hätten, beraubt. Doch er genoss die Wertschätzung der Leute, mit denen er zusammenarbeitete, und Ricciardi zum Beispiel wäre nicht bereit gewesen, ein Verbrechen ohne Doktor Modos Hilfe zu untersuchen.
    Deshalb ließ Maione ihn rufen. Der Doktor hatte eine schlimme Nacht hinter sich: Er hatte sie damit zugebracht, die eingeschlagenen Schädel irgendwelcher Trunkenbolde zusammenzuflicken. Bei Maiones Anblick vergaß er aber gerne, wie müde er war.
    »Brigadiere, wie schön, sie zu sehen! Ist ihr Chef nicht mit dabei?«
    »Nein, Dottore, ich bin allein. Auf dem Weg zur Arbeit bin ich auf diese ... das hier gestoßen.«
    Modo hatte Filomenas Gesicht bereits entdeckt und sie ins Licht geschoben. Filomena hatte fügsam und ohne einen Laut der Klage den Kopf von der Schulter des Polizisten gehoben.
    »Heilige Mutter Gottes ... wer kann so etwas nur tun ... eine Sünde! Ist gut, Maione. Ich nehme sie mit in den OP und seh’, was ich tun kann. Danke.«
    »Ich danke Ihnen, Dottore. Eine Bitte noch: Behalten Sie die Signora bei sich. Ich will herausfinden, wer das war. Ich komme später wieder vorbei.«
    Keinem der beiden Männer entging das Aufblitzen in Filomenas Augen. Was war es? Angst, Zorn? Aber auch ein Hauch Stolz.
XII
    Am späten Vormittag – der Südwind wurde allmählich stärker – breitete sich ein undefinierbarer Duft in der Stadt aus, oder vielmehr eine Art Nachgeschmack, die Andeutung eines Geruchs. Es roch nach Mandel- und Pfirsichblüten, neuem Gras, dem Schaum des Meeres auf weit entfernten Klippen.
    Niemand schien davon Notiz zu nehmen, noch nicht jedenfalls, aber manch einer stellte überrascht fest, den Hemdkragen offen stehen, die Manschetten aufgeknöpft oder den Hut in den Nacken geschoben zu haben. Und eine unbestimmte Fröhlichkeit, wie wenn man auf irgendetwas Gutes wartet oder einem anderen etwas Schönes passiert ist, und sei es noch so unwichtig, lag in der Luft: Man ist glücklich, könnte aber nicht sagen warum.
    Es war der Frühling, der auf Zehenspitzen tanzte: Leichtfüßig drehte er sich im Kreis herum, in all seinerJugend und Heiterkeit, noch ahnungslos, was er bereithalten würde, doch ganz versessen darauf, endlich ein wenig Unordnung in die Dinge zu bringen. Ganz ohne Hintergedanken, einfach nur, um die Karten neu zu mischen.
    Und das Blut in Wallung zu bringen.

    Ricciardi sah von seinem Schreibtisch auf, um wieder in die Wirklichkeit zurückzukehren. Von der Ermordung des Tenors im Theater San Carlo, zu der er einen Monat zuvor ermittelt hatte, waren ihm Kilometer Tinte auf mehreren Hektar gelbem und weißem Papier in dreifacher Ausfertigung geblieben, immer dieselben, endlos zu wiederholenden Aufzeichnungen: Er vermutete, dass irgendjemand von irgendwo aus der oberen Etage oder in Rom ihn kontrollierte, um zu sehen, ob er sich in Widersprüche verwickeln würde, wie in der Schule.
    Ein kurzer Blick auf die Armbanduhr zeigte ihm, dass es inzwischen schon halb elf geworden war, ohne dass er es gemerkt hatte.
    Als er seine Gedanken sammelte, fiel ihm auf, dass etwas im monotonen Rhythmus seines Vormittags fehlte, weshalb er auch die Zeit vergessen hatte: Maione. Der Brigadiere mit seinem fürchterlichen Malzkaffee, den er ihm jeden Morgen um neun Uhr vorsetzte und damit den Beginn des Arbeitstags einläutete – wo war er bloß abgeblieben?
    Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, da hörte er es schon zweimal hastig an die Tür klopfen.
    »Herein!«
    Der Türrahmen füllte sich mit dem Brigadiere, der einen militärischen Gruß andeutete; er wirkte abgehetzt undauf der Schulterklappe seiner Jacke war ganz eindeutig ein Blutfleck zu erkennen.
    »He, Maione, grüß dich. Was war denn los heut’ Morgen? Und wo kommt dieser Fleck her? Hast du dich verletzt?«
    Ricciardi war abrupt aufgestanden, so dass der Füllfederhalter auf dem vor ihm

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