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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Kartenlegen. Eine Freundin aus Santa Teresa ging zu ihr, weil sie sich Sorgen wegen ihres Verlobten machte, der ihr gesagt hatte, dass er am Abend auf einer Baustelle in Giugliano arbeitet und sich deshalb nicht mit ihr treffen kann. Die Alte las ihr aus den Karten und sagte«, und an dieser Stelle ließ Bambinella ihre Stimme rauer und krächzender werden und kniff die Augen zusammen, als ob sie in eine Kristallkugel schauen würde, »›Sieh dich vor, mein Kind, der Kerl geht nichtnach Giugliano, sondern in ein Bordell im Viale Elena.‹« Und daraufhin stellt meine Freundin sich vor besagtes Bordell und sieht ihn, wie er Arm in Arm mit einer Nutte herausspaziert! Sie mussten sie zu dritt festhalten, weil sie den beiden das Gesicht mit einem Rasiermesser zerkratzen wollte. Die Alte war wirklich gut. Aber wer sie ermordet haben könnte, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.«
    Maione schüttelte erstaunt den Kopf.
    »Also die Leute sind doch wirklich zu dämlich. Wie kann man denn nur an so etwas glauben? Die Calise war eine Betrügerin. Sie holte sich Informationen ein, wie ich bei dir, und sagte damit die Zukunft voraus. Und so verdiente sie an denen, die ihr zuhörten.«
    Bambinella besah sich die lackierten Fingernägel und seufzte.
    »Manchmal braucht man eben etwas, woran man glauben kann. Sie etwa nicht?«
    Maione sah zum Fenster hinaus, wo der Frühling die Natur allmählich aufblühen ließ. Der Abend war die Zeit der zirpenden Grillen und man hörte das hohe Gras rascheln. An etwas glauben? Er dachte sofort an Lucia, wie sie vor fünfundzwanzig Jahren auf den Klippen von Mergellina in der Sonne lachte.
    »Da gebe ich dir Recht, Bambinella. An irgendetwas muss man glauben, um zu leben. Aber ich bin eigentlich aus einem ganz anderen Grund hier. Vor ein paar Tagen wurde eine Frau aus den Quartieri Spagnoli im Vico del Fico verletzt. Ein Schnitt im Gesicht.«
    »Ach ja, ich weiß. Die schöne Filomena, die jungfräuliche Hure. Darüber ist viel geredet worden.«
    Maione kniff die Augen zusammen.
    »Was soll das heißen, die jungfräuliche Hure? Wie meinst du das?«
    Bambinella kicherte affektiert und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund.
    »Ach, das ist nur so eine Redensart von mir. So nenne ich die Frauen, die im Ruf einer Hure stehen, ohne je etwas Verwerfliches getan zu haben. Das Geschwätz der Leute eben, meist verkehren sie die Wahrheit ins Gegenteil. Wenn sie wüssten, wie häufig das passiert!«
    »Und wo liegt die Wahrheit in diesem Fall?«
    »Nun ja, Filomena Russo ist die schönste Frau Neapels, wenn nicht sogar der Welt. Das heißt, sie war es. Die Arme.«
    »Warum arm? Wegen des Schnitts?«
    »Nein, eben nicht: wegen ihrer Schönheit. Dadurch war sie für ihr ganzes Leben verdammt. Eine Frau, die so schön ist, sollte besser das Herz einer Hure haben. Dann lebt sie nämlich im Luxus: sie selbst, ihre Kinder, Mutter, Vater, einfach alle. Sie lässt sich aushalten, mal zeigt sie, mal versteckt sie, was sie hat, die Glückliche; und die Männer, die allesamt Idioten sind, Sie verzeihen mir, Brigadiere, wittern sie schon von weitem und laufen ihr nach wie die Straßenköter. Wenn du allerdings, wie Filomena, keine Hure bist, musst du dich verstecken, um deine Ruhe zu haben. Aber in Ruhe lassen sie dich trotzdem nicht.«
    »Und wer ist es, der SIE nicht in Ruhe lässt?«
    Bambinella sah Maione prüfend an.
    »Zuletzt Don Luigi Costanzo, einer von der Camorra. Und dann auch der Textilhändler, für den sie arbeitet. Das hat sie uns neulich erzählt, als wir bei ihr waren – einemeiner Freundinnen kennt sie. Der eine bedrohte den Sohn, der andere wollte sie rauswerfen.«
    Maione ballte die Fäuste, was Bambinella nicht entging. Er fuhr fort.
    »Wie die Dinge jetzt stehen, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie ihr noch länger nachstellen.«
    »Was meinst du, wer es gewesen sein könnte?«
    Der Transvestit schüttelte den Kopf.
    »Fragen Sie jemanden, der sich mit Schönheit und krankhafter Liebe auskennt: Wer in eine Schönheit vernarrt ist, tötet sie, aber er entstellt sie nicht. Von den beiden war es keiner, Brigadiere. Das halte ich für unwahrscheinlich. Ich kann Ihnen schlechterdings nicht sagen, welcher Verrückte all diese Pracht zerstört haben könnte.«
    »Und warum nennt man sie dann Hure? Wo sie doch so anständig ist?«
    »Weil Frauen es sich nicht eingestehen können, dass jemand besser ist als sie. Sie denken, dass die Männer wegen etwas anderem den Verstand verlieren,

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