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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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gelesen.
    Ricciardi mochte es gern kühl. Sobald er konnte, riss er seine Fenster auf, um die Frühlingsluft hereinzulassen. Von dem großen Platz her stieg der Duft des Meeres zu ihm hoch, der Stimmen und Gesänge der neuen Jahreszeit hereintrug.
    Maione stand am Fenster und sah gedankenvoll hinaus. Er spürte einen Kummer, den er nicht näher definieren konnte. Bambinellas Worte fielen ihm wieder ein; sienährten in ihm ein vages Schuldgefühl. Außerdem war da die neueste Erinnerung an Filomenas noch immer verbundenes Gesicht und ihr trauriges Lächeln. Als sie den Brigadiere an diesem Morgen im Türrahmen hatte stehen sehen, hatte sie gesagt: »Brigadiere, allmählich gewöhne ich mich an Ihren Gruß.« Und er hatte geantwortet: »Das freut mich, Filomena.«
    »He, Maione, was ist los, träumst du?«
    »Nein, nein. Ich hab’ bloß nicht gut geschlafen, seit ein paar Nächten geht das schon so. Vielleicht der Wetterumschwung. Na ja, für uns wird’s mehr zu tun geben, wie jedes Jahr. Es ist doch immer so im Frühling, stimmt’s?«
    Ricciardi nickte seufzend.
    »Zumindest sagt uns das die Erfahrung. Hoffen wir das Beste. Also, dann erzähl mir mal von deinem Rendezvous.«
    Maione riss die Augen weit auf und ging in die Defensive.
    »Wieso Rendezvous, Commissario! Ich gehe bloß vorbei, um Hallo zu sagen, um zu fragen, was die Verletzung macht. Da ist überhaupt nichts Persönliches mit im Spiel, wirklich nicht. Ich höre nur nach, ob sie etwas braucht, und denke nicht im Mindesten ...«
    Ricciardi sah in durchdringend an.
    »Von was redest du denn da? Ich meinte dein Plauderstündchen mit der Petrone, um diese Liste zu entschlüsseln. Hör mal, Raffaele: Ich mische mich normalerweise nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein, solange es nichts mit der Arbeit zu tun hat. Aber eines möchte ich dir sagen: Ich war dabei, als ... in jenen schweren Stunden, die du und deine Familie durchgemacht habt. Ich habe deineFrau und deine Kinder kennengelernt. Ich erinnere mich an Luca. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass man das, was du hast, für kein Geld der Welt kaufen kann.«
    Maione hatte den Blick gesenkt.
    »Warum sagen Sie mir das, Commissario? Welchen Eindruck hatten Sie denn? Ich weiß, dass ich mich glücklich schätzen kann. Es ist nur so, dass seit ... seit diese Sache passiert ist, reden wir nicht mehr miteinander. Ich meine mich und Lucia. Also, nicht dass wir nicht reden würden. Aber sie ist in Gedanken weit weg. Auch die anderen Kinder sehen sie merkwürdig an. Immer ist sie still. Starrt geradeaus, wer weiß, was sie dort sieht.«
    »Und du, hilfst du ihr nicht? Gehst du nicht auf sie zu, sprichst du nicht mit ihr?«
    Maione lächelte traurig.
    »Doch, das habe ich alles getan, Commissario. Und tue es immer noch. Aber es ist, als ob ich mit einer Wand sprechen würde. Manchmal benehme ich mich wie ein Verrückter und führe Selbstgespräche. Es ist, als ob wir beide nur durch Luca miteinander kommunizieren könnten. Die Erinnerung an Luca. Dabei nennen wir nie seinen Namen.«
    Ricciardi beobachtete ihn.
    »Leider kann ich dir nicht sagen, wie eine Familie funktioniert. Du weißt, dass ich keine habe und nicht einmal als Kind eine hatte, abgesehen von meiner Kinderfrau. Aber weißt du, was ich glaube? Dass es leicht ist, zusammen zu sein, wenn alles rund läuft. Schwierig wird es, wenn man Berge überwinden muss, bei Wind und Kälte. Dann sollte man vielleicht, damit es einem wärmer wird, ein wenig näher zusammenrücken. Das sagt dir jemand, der inder Kälte lebt. Und niemanden hat, bei dem er sich aufwärmen kann.«
    Maione sah Ricciardi erstaunt an. Er hatte ihn noch nie so lange reden hören, noch dazu über etwas, das nicht ihre Ermittlungsarbeit, sondern ihn selbst, sein Leben und seine Familie betraf. Maione wusste, dass er nicht verheiratet war; im Grunde genommen war er mit seiner Einsamkeit vermählt.
    »Wissen Sie, Commissario, manchmal denke ich, dass meine und Lucias Liebe in gewisser Weise mit dem Tod meines Sohnes erloschen ist. Was glaubt sie denn, etwa dass nur sie leidet, weil sie seine Mutter war? Sehe ich ihn vielleicht nicht jeden Tag vor mir, sein Lausbubengesicht, wie er zu mir sagt: Da bist du ja, alter Schmerbauch, na, was ist, soll ich vor dir strammstehen? Und wenn ich die Augen schließe, sehe ich dann vielleicht nicht mich, wie ich ihn im Arm halte? Mit sieben Jahren wollte er meinen Dienstrevolver sehen. Manchmal stockt mir der Atem, so weh tut das alles. Aber mein Schmerz

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