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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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nicht bloß wegen dem, was sie sehen und damit basta. Wenn Sie wüssten, wie oft mir das schon passiert ist und immer noch passiert.«
    Maione stand auf und ging zur Tür.
    »Ich danke dir, Bambinella. Wenn du etwas hörst, lass mich rufen. Und keine Faxen bitte, ich will dir nicht ewig aus der Patsche helfen müssen. Schließlich bist du nicht mein Sohn.«
    Bambinella lächelte kokett, doch seine Augen sahen traurig aus.
    »Ist gut, ich werde aufpassen. Ich möchte Ihnen aber noch etwas sagen. Schönheit kann einen um den Verstandbringen, sowohl äußerliche Schönheit als auch die Schönheit einer reinen Seele. Sie haben eine wunderbare Familie, lassen Sie sich da nicht hineinziehen. Falls ich mir die Bemerkung gestatten darf.«
    Maione blieb auf der Türschwelle stehen.
    »Darfst du aber nicht. Außerdem geht mich die Sache rein beruflich an. Mach’s gut.«
    Daraufhin ging er – im Eiltempo – nach Hause.
XXXIV
    Auch am nächsten Morgen wehte eine frische Brise – der Frühling war nun vier Tage alt. Die Temperaturen stiegen stündlich, man sah kaum noch Wintermäntel und hier und da schon einen Strohhut.
    Fenster standen offen. In den Häusern wurden Jacken und Röcke hervorgeholt, die man in dem langen Winter fast vergessen hatte. Man sang und stritt sich unüberhörbar – zur großen Freude der alten Klatschbasen, die gierig an den Fenstertüren lauschten.
    Auf der Straße machte sich der nach Meer duftende Wind einen Spaß daraus, Hüte in die Luft zu wirbeln und Äste abzuknicken. Männer und Frauen, die sich monatelang über den Weg gelaufen waren, ohne auch nur einen Blick zu wechseln, beobachteten sich nun aufmerksam und sandten sich lächelnd stumme Botschaften zu. Tief schlummernde Gefühle, die wegen der Kälte in einen Winterschlaf gefallen waren, erwachten nun wieder zu neuem Leben: Bewunderung, Zärtlichkeit, Neid, Eifersucht.
    In den Straßen des Zentrums, wo es jetzt stechendernach Pferdemist roch, boten die fliegenden Händler ihre Waren mit neuem Eifer feil. Hunderte Versprechen lagen in der Luft, zwischen denen der Frühling unsichtbar im Kreis tanzte.
    Die Sonne strahlte, die Luft war mild und würzig und vielleicht war ja noch nicht alles verloren.
    Attilio atmete die leichte Brise vom Fenster seines Zimmers aus ein; zum ersten Mal seit Tagen glaubte er wieder daran, seinem Leben die Wendung geben zu können, die er sich gewünscht hatte.
    Nicht dass es abends im Theater besser als sonst gelaufen wäre – im Gegenteil. Der eingebildete alte Gockel war sogar noch unausstehlicher zu ihm gewesen und hatte ihn nach Strich und Faden schikaniert. Er hatte sich einen Schmähnamen für seine Rolle ausgedacht, »unser Beau«. Eine subtile Art, ihn herabzusetzen, sein Talent zu schmälern. Und als ob das alles nicht genügen würde, war die Loge immer noch leer.
    Er schauderte bei dem Gedanken, nicht einmal in Emmas bewundernden Blicken Zuflucht suchen zu können, wenn die Leute über ihn lachen würden.
    Am Ausgang des Theaters wartete dann jener Mann auf ihn, er hatte sich vorgestellt, um ihm ein Angebot zu unterbereiten; Attilio war fast das Herz stehen geblieben, obwohl er nichts zu befürchten hatte. Allerdings hatte er hochmütig abgelehnt. Es sollte bloß niemand glauben, dass Attilio Romor käuflich sei.
    Und doch hatte die Begegnung ihm deutlich gemacht, dass es für ihn noch eine Möglichkeit gab. Und die wollte er sich nicht entgehen lassen.
    Er streckte die Arme aus und ließ seine Brustmuskelnunter seinem Unterhemd und den Hosenträgern spielen. Dann schenkte er der Frau, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite besonders langsam ihre Wäsche aufhängte, ein strahlendes Lächeln. Sollte ruhig auch sie etwas von diesem sonnigen Tag haben. Vor ihm lag eine vielversprechende Zukunft.

    Ricciardi sah die Liste der Personen durch, die Carmela Calise als Letzte lebend gesehen haben könnten. Eine Botschaft aus dem Jenseits, von der Toten eigenhändig aufgeschrieben. Nicht die Einzige jedoch, was Ricciardi anging. Der Herrgott ist kein Händler, der seine Schulden samstags zahlt.
    Er verweilte bei der wackligen Schrift der Namen.
    Passarelli: männlich, Muter.
    Colombo, weiblisch, neu, Liebe.
    Ridolfi, Schmuk Frau.
    Emma.
    Iodice, bezalen. Ein leichter Tag also. Einige Seiten des schwarzen Hefts enthielten bis zu zehn Namen, der Durchschnitt lag bei sechs oder sieben. Vielleicht hatte einer der Termine länger gedauert. Oder die Alte hatte ihr eigenes Schicksal in den Karten

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