Der Frühling - Hyddenworld ; 1
erleichtert. Er verlor kein Wort über ihre Flucht und sagte stattdessen, dass sie erschöpft aussehe und dass er geeignete Leute kenne, die sich ihrer annehmen könnten. Er klopfte an eine Tür, in die in Brusthöhe ein Eisengitter eingelassen war. Es klappte sofort auf, und ein argwöhnisches Augenpaar spähte heraus. Im Flüsterton wurden hastig Worte gewechselt, ehe das Gitter wieder zuklappte.
Augenblicke später öffnete es sich erneut, und die zusammengesackte Katherine wurde auf die Beine gestellt. Ihre Proteste und Fragen wurden ignoriert.
Die Tür ging auf, und aus der Dunkelheit dahinter erschien eine Hand, packte sie am Arm und zog sie hinein.
Noch ehe sie dazu kam, etwas zu sagen, wurde die Tür hinter ihr zugeschlagen, und sie sah sich Auge in Auge mit einer Frau, die eine weiße Tracht mit Haube trug.
Es ließ sich nicht sagen, wie alt sie war, denn ihr Gesicht war mitweißer Schminke zugekleistert und ihr Mund rot angemalt. Katherine konnte nur die blutunterlaufenen Augen sehen, die von Krähenfüßen umgeben waren. Beim Sprechen entblößte die Frau gelbe Zähne.
»Willkommen, Schwester Katherine«, sagte sie mit einem recht warmen Lächeln.
»Wer sind Sie? Wo bin ich und was …?«
»Eins nach dem anderen, mein Kind. Ich bin die Schwester Oberin, und hier bist du sicher, völlig sicher. Wir werden dir nichts tun, und bei uns wirst du lernen, wie du ein besseres, glücklicheres Leben führen kannst …«
»Aber …«
»Folge mir!«
Zwei ähnlich gekleidete, jüngere Frauen tauchten hinter ihr auf und zogen sie sachte fort, wobei sie kicherten und freundlich schwatzten. Katherine blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen, und bald durchschritt sie mehrere große, luftige Räume, in denen es betörend nach Ölen und Parfümen duftete und in denen sie von gepflegten Frauen mit langem und vollem schwarzem Haar begrüßt wurde. Manche gaben ihr die Hand, anderen strichen ihr zärtlich über die Arme und Wangen, wieder andere küssten sie, und alle strahlten und lachten dabei.
Gerade als ihr der Gedanke kam, sie sei in einen Traum geraten, der nur böse enden konnte, reichte ihr jemand eine goldene Flasche mit einem köstlich riechenden Getränk.
Sie fragte, was das sei.
»Es ist ein harmloses Elixier, das unser Orden seit jeher herstellt«, erklärte die Oberin. »Höchst wohltuend für Körper und Geist. Trink, meine Liebe, dann wirst du dich gleich besser fühlen.«
»Wasser wäre mir lieber«, erwiderte Katherine vorsichtig.
»Aber selbstverständlich, meine Liebe … Wie wär’s, wenn du es dir bequem machst, solange eine Schwester dir welches holt?«
Wohlige Wärme umschmeichelte sie, und das behagliche, mit Seide ausgeschlagene Gemach, in das sie geführt wurde, war nach dem anstrengenden Marsch zu verlockend, um ihm zu widerstehen.
»Nun ja …«, sagte sie, obwohl sie schon schwach wurde, »aber ich weiß doch gar nicht, wer … oder was Sie …«
Die Schwestern lächelten gewinnend und legten ihr fest die Händeauf die Schultern. Ihr Lachen und die sonderbare Musik im Raum schmeichelten den Ohren und wirkten beruhigend.
»Aber nur für einen Augenblick«, hörte sie sich sagen, wobei ihr die eigene Stimme an diesem Ort beinahe rauh und hart vorkam, »denn ich bin müde und …«
Sie setzte sich, und sanfte Hände betteten sie zurück in aufgeschüttelte Kissen, die ihren Rücken und ihre Schultern stützten, während andere für ihren Nacken und Kopf bereitlagen.
»Ich möchte nicht … ich weiß nicht …«
Aus einem überwölbten Durchgang am anderen Ende des Raums schien ein goldenes Tablett mit einem Kristallglas darauf durch die Luft herbeizuschweben. Die Hand, die es hielt, und die Person, der die Hand gehörte, schienen viel unwichtiger zu sein als das Wasser selbst, das so klar im Licht funkelte, dass ihr Durst bei seinem Anblick sogleich wuchs.
Als sie das Glas an die Lippen setzte, fühlte es sich so wunderbar kühl und erfrischend an, dass sie es einfach austrinken musste.
»Wer genau seid ihr?«, fragte sie, während sie ihr aus dem Kristallkrug nachschenkten, das Wasser gurgelnd ins Glas stürzte und darin herumwirbelte, hypnotisch in seinem Licht und seiner Klarheit.
Sie kamen näher. Ihre roten Münder lächelten, ihre Augen strahlten, und alle hatten Haar von makellos glänzendem Schwarz. Entrückt nahm Katherine zur Kenntnis, dass sie alle identische Perücken trugen.
»Wir sind die Barmherzigen Schwestern«, sagten sie, »und sobald du Lord
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