Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag

Vom Netzwerk:

des modernen Birmingham, dessen menschliche Bewohner ihren Geschäften nachgehen, ohne zu ahnen, wie nah sie einer der historisch bedeutsamsten Städte von Hyddenwelt sind.
    Einige Teile von Brum befinden sich tatsächlich im Freien, sichtbar für jeden Menschen, der sich die Mühe macht hinzusehen. Allerdings sind diese Orte nur sehr schwer zu entdecken, denn sie liegen im Schatten verborgen, verdeckt durch Überhänge und Auskragungen von Gebäuden, oder einfach hinter nahezu unzugänglichen Ecken. Doch der größte Teil der Hyddenstadt ist unter der Erde verborgen.
    Das soll nicht heißen, dass die Hydden den menschlichen Teil Birminghams, die Oberwelt, nicht mitbenutzen.
    Tagsüber können viele Orte von ortskundigen Hydden gefahrlos betreten werden – so zum Beispiel die untere Hälfte des River Rea, der weitgehend unbemerkt mitten durch die Stadt fließt, stillgelegte Kanäle und Bahnlinien, aber auch viele unbebaute Lücken zwischen den Autobahnen, Fabriken und Hochhäusern. Nachts sind die Möglichkeiten noch vielfältiger und schließen die Dächer der meisten Häuser in der Innenstadt und die schattigeren Teile vieler Straßen und Bürgersteige mit ein.
    Die eigentliche Hyddenstadt gliedert sich in zwei Teile. Alt und neu. Der ältere Teil stammt noch aus Beornamunds Zeit, und sein geschäftiges und halb geheimes Leben spielt sich an den feuchten Orten unter und beiderseits der Brücke ab, die im Mittelalter den ersten Übergang über den River Rea bildete.
    Unmittelbar westlich davon erhebt sich Digbeth, wo reiche Hydden-Kaufleute einst im Schatten menschlicher Herrenhäuser ihre Villen bauten und den reichlich vorhandenen Platz, die frische Luft und den Blick über die Stadt genossen, der heute durch die Neubautender unaufhaltsam in die Höhe strebenden Menschenstadt verstellt ist.
    Östlich der Brücke liegt Deritend. Dort unten, zwischen den Abwasserrohren und Kanälen, die unablässig ihre schmutzige Fracht in den Rea befördern, fristen in Ermangelung besserer Behausungen arme Leute ihr ungesundes Dasein.
    Einhundertundfünfzig Jahre zuvor hatte sich diese einfache, jahrhundertelang geltende Einteilung mit dem Aufkommen der Eisenbahnen und dem Bau mehrerer Güter- und Personenbahnhöfe nebst dazugehöriger Gebäude im Norden und Osten von Old Brum für immer verändert.
    Die tiefen, gruftähnlichen Fundamente dieser großen Gebäude wurden häufig bald nach dem Bau wieder zugeschüttet, damit sie von Menschen nicht mehr betreten werden konnten. Doch für die rührigen Hydden aus dem nahen Digbeth kamen die neuen Bauwerke einer Einladung gleich, sich dort niederzulassen.
    Diese zwischen neue Kanäle und Bahnlinien, unterirdische Bäche und Abwasserleitungen gesetzten Büro- und Wohnhäuser bildeten das Fundament von New Brum. Tatsächlich nutzten Hydden in allen großen Eisenbahnzentren jener Zeit Bahnanlagen für die Gründung neuer Unternehmen und Städte, nicht nur in Englalond, sondern überall in Europa.
    Doch in Brum – im alten wie im neuen – geschah dann etwas Außergewöhnliches.
    Während sich Wirtschaft und Gesellschaft in ganz Hyddenwelt innerhalb weniger Jahrzehnte veränderten, und mit ihnen auch die Grundlagen globaler Macht, blieben der Unabhängigkeitsgeist und die schöpferische Eigenständigkeit der Stadt Brum davon weitgehend unberührt.
    Noch war Brum eine Bastion des freien Denkens, der Unbotmäßigkeit und des subversiven Humors mit einer reichen, weltoffenen Kultur, die sich von jeder anderen Stadt in der Welt der Hydden unterschied. Obwohl zu dem Zeitpunkt, als Jack und Katherine dort ankamen, bereits seit vielen Jahrzehnten von den Fyrd besetzt, war die Stadt von den meisten strengeren Regeln und Gesetzen verschont geblieben, sodass Denker, Künstler und dergleichen ohne große Angst vor Repressalien ihrer Arbeit nachgehen konnten.
    Das hatte die Stadt einzig und allein einer Laune Slaeke Sinistrals I. zu verdanken, seines Zeichens Gründervater der Fyrd und selbst in Brum geboren. Mehr als einmal verlieh er dem Wunsch Ausdruck, dass seine Geburtsstadt bis zu »seines Winters Ende«, wie er sich ausdrückte, von jeglichen Zensurmaßnahmen und kleinlichen Vorschriften ausgenommen werden solle. Daran hielt man sich bis zu seinem Tod.
    Da sich Slaeke Sinistral jedoch vor seinem endgültigen Verschwinden aus der Öffentlichkeit für unsterblich erklärt hatte, konnte die Führung der Fyrd die einmaligen Freiheiten Brums nicht abschaffen, ohne den gottgleichen Status ihres