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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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eigenen Gründers in Frage zu stellen.
    In der Praxis bedeutete dies, dass die eigentliche Macht in Brum in den Händen eines unauffälligen, regelmäßig von Deutschland aus instruierten Fyrd-Beamten lag, während die nominelle Befehlsgewalt beim Hochaltermann der Stadt verblieb, der stets aus den Reihen der fünf führenden Brumer Familien – der Gospals, Deans, Warwicks, Brifs und Avons – gewählt wurde, deren Mitglieder und Bedienstete an den unterschiedlichen Farben und Mustern ihrer Trachten leicht zu erkennen waren.
    Als Katherine und Jack nach Brum kamen, war der starke Mann in der Stadt General Elon, ein Fyrd, der seine Versetzung auf den geruhsamen Verwaltungsposten in Brum als wohlverdiente Belohnung für seine Jahre in den Diensten der Sinistral überall in Hyddenwelt betrachtete.
    Der Hochaltermann war Lord Festoon, der unverheiratete letzte Spross der einst vielköpfigen Familie Avon, ein Freund guten Essens und ausgefallener Unterhaltung, der sich weder für Politik noch für seine Nachfolge interessierte, was ihn zur idealen Marionette der Fyrd machte.
    Zufällig lebten in Brum noch ein paar Hydden, die den Namen Sinistral trugen, doch handelte es sich bei ihnen um eine völlig unbedeutende Nebenlinie des Herrscherhauses, dessen Sitz Slaeke Sinistral I. von Englalond nach Deutschland verlegt hatte. Man duldete sie aus sentimentalen Gründen, ohne ihnen ihr angestammtes Recht auf Macht und Respekt zuzubilligen.
    Eine Folge dieser außergewöhnlichen Geschichte war, dass sichdie Reichen von New Brum trotz der günstigen Lage ihrer Stadt, die unzählige Möglichkeiten bot, die prosperierende Oberwelt der Menschen für ihre Zwecke zu nutzen, eher auf dem Gebiet der Kultur betätigten. Neuerungen in allen anderen Bereichen dagegen, wie in der Industrie, im Finanzwesen und in der Wissenschaft, wurden regelmäßig nach Deutschland exportiert und gerieten somit unter die Kontrolle der Sinistral.
    So wurde die Stadt zum Sammelpunkt für die Unterdrückten, Kunstsinnigen und Unzufriedenen, was, wie Zyniker meinten, ganz im Sinne der Sinistral war. Denn so hatten sie viele ihrer freimütigsten Kritiker und Gegner an einem Ort versammelt, wo sie unter ihrer Aufsicht standen, und konnten weiterhin Lippenbekenntnisse zur Freiheit ablegen.
    Doch während sich New Brum im neunzehnten Jahrhundert zu einer pulsierenden, lebendigen Stadt entwickelte und im zwanzigsten für seine weltoffene Kultur bekannt wurde, nahm Old Brum einen ganze anderen Weg.
    Dort blieben nur die Armen, die Ausgebeuteten, die Kranken und die kriminellen Elemente. Der ohnehin schon heruntergekommene Stadtteil erfuhr einen weiteren Niedergang, und seine Bewohner waren fortan nichts weiter als ein bedauernswertes Arbeitskräftereservoir für ihre wohlhabenderen Nachbarn.
    Armut und fehlende Bildung ließen das Interesse an der Vergangenheit erlahmen. Die mittelalterlichen Bibliotheken, die öffentlichen Altäre und die privaten Tempel, die ansprechende Kunst und Architektur vergangener Tage, die Ecken und Winkel, in denen einst so vieles erschaffen und vollbracht worden war, das alles verfiel nach und nach.
    Bald wurden viele dieser Orte, von denen einige heilig, andere von wahrhaft historischer Bedeutung, alle aber für den Liebhaber antiquarischer Schätze von Interesse waren, geplündert – oder zugemauert und vergessen.
    Freilich nicht alle.
    In der Geschichte gibt es immer große Entwicklungen, die von unvorhergesehenen und unerwarteten Ereignissen beeinflusst und von den außergewöhnlichen Umständen beflügelt werden, in denen sich besondere Sterbliche wiederfinden. Sie ist voll von Ironie, schicksalhaftenWendungen und seltsamen, unvorhersagbaren Zusammentreffen, die Neues hervorbringen und Sackgassen von gestern in belebte Durchgangsstraßen von morgen verwandeln.
    Old Brum – und in gewisser Weise auch die Menschenstadt Birmingham – wurde nur durch einen solchen Wirbel im Strom der Geschichte gerettet.
    Denn dieser schmutzige und feuchte, fünf Meter oder noch tiefer unter der Menschenstadt gelegene, labyrinthartige Ort war seit jeher die natürliche Heimat der Bilgener, eines Hyddenvolkes orientalischer Herkunft, dessen Element nicht das trockene Land, sondern das Wasser ist.
    Sie wohnten in Schiffswracks und ausrangierten Kähnen oder in Behausungen, die so geschickt aus Abfallmaterial errichtet waren, dass sie für Menschen wie Treibgut aussahen, das ein Fluss, ein Bach oder ein Kanal im Lauf der Zeit angeschwemmt hatte.
    Dieses

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