Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
sind.
    So debattierten die Zehn unter dem Vorsitz des Stadtverwesers, General Elon, über die Frage, während ihre drei Quentoren und Sub-Quentor Brunte gelassen dasaßen und zuhörten, da keiner von ihnen das Recht hatte zu sprechen, außer er wurde ausdrücklich dazu aufgefordert.
    Brunte verfolgte die Diskussion mit der Faszination und dem Egoismus eines Mannes, der sich sein ganzes, noch junges Leben lang mit der Frage beschäftigt hatte, wie man am Leben blieb und gleichzeitig immer mehr Macht errang. Er hörte – genauer gesagt, er roch, ja schmeckte beinahe – das Trommeln des Regens draußen, und es wurde ihm immer angenehmer. Es klang wie eine Verheißung. Eskündigte eine Veränderung an, auf die er lange hingearbeitet hatte, seit er als Neunzehnjähriger Zeuge des gescheiterten Mordanschlags auf den Riesengeborenen geworden war.
    Doch die Debatte zog sich. Der Zehnerrat war sich unschlüssig, und alles deutete auf eine Vertagung hin. Brunte spürte, dass sein Eingreifen erforderlich wurde, doch ohne eine direkte Aufforderung durfte er nicht sprechen. Versuchte er es trotzdem, ging er einen Schritt zu weit. Schwieg er weiterhin, fiel die Entscheidung gegen die Abschottung aus, und die Gelegenheit wäre vertan.
    Brunte tat das einzig Mögliche. Er wartete, bis die Diskussion ins Stocken geriet, dann lehnte er sich vor, über die Reihe seiner unterwürfig dasitzenden Vorgesetzten hinaus, atmete tief und vernehmlich aus und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Nicht so laut, dass der Eindruck von Ungeduld entstand, aber doch laut genug, um bemerkt zu werden. Und dass er bemerkt wurde, war wahrscheinlich, denn Brunte besaß die unerklärliche Eigenschaft aller großen Verschwörer, andere glauben zu machen, dass das Unmögliche möglich sei und dass Träume wahr werden. Ihn umgab eine Aura von Macht und Stärke, Charisma und Glauben an sich selbst.
    So wartete er ruhig ab und dachte mit heimlichem Vergnügen an drei Punkte, die anzusprechen er nicht die Absicht hatte, die aber im Hinblick darauf, wie er die Zehn beeinflussen musste, von großer Wichtigkeit waren.
    Punkt eins war, dass Hrap Dowtys Bericht, der die Debatte ausgelöst hatte, nicht den Tatsachen entsprach. Es stimmte zwar, dass die Kanäle von den Menschen umgeleitet worden waren, doch auch die Bilgener hatten Umleitungen vorgenommen und dadurch jeder zusätzlichen Gefahr bereits vorgebeugt. Dowty musste das gewusst haben.
    Punkt zwei: Festoon Avon, der Hochaltermann von Brum, war ein Schwindler. Das Bild der Arglosigkeit und Schwäche, das er seit seiner Ernennung vor fünfzehn Jahren jede Stunde und jeden Tag bei den Fyrd nährte, war nur eine Pose. In Wahrheit war er intelligent und berechnend, ein geschickter Drahtzieher und wahrer Führer seines Volkes. Er, Brunte, wusste das. Die Frage war nur, wer noch. Jedenfalls keiner von den Zehn, so viel war sicher.
    Drittens wusste er: Falls die Zehn für eine Abschottung stimmten,würden zwei von ihnen noch vor vier Uhr heute Nachmittag tot sein. Eine Stunde später würden auch die drei Quentoren, die neben ihm saßen, und weitere sieben Ratsmitglieder nicht mehr unter den Lebenden weilen, sodass nur noch einer übrigbliebe, der das Amt des Stadtverwesers würden übernehmen können. Er selbst würde bis dahin nicht mehr den niedrigen Rang des Sub-Quentors, sondern einen weitaus eindrucksvolleren Posten bekleiden. Was seinen Titel anging, hatte er noch keine Entscheidung getroffen.
    Er lehnte sich gelassen zurück, denn er konnte förmlich riechen, dass der Vorsitzende seinem unausgesprochenen Wunsch, das Wort zu ergreifen, entsprechen würde
.
    »In Anbetracht der besonderen Umstände«, begann Elon, »scheint es mir ratsam, den Sub-Quentor zu fragen, wie er die gegenwärtige Bedrohung der öffentlichen Ordnung in unserer Stadt einschätzt.«
    »Einverstanden«, murmelten mehrere der Zehn.
    Sie blickten zu Brunte, der so tat, als sei er überrascht und sich der Ehre, die ihm zuteil wurde, bewusst. Mit einem bescheidenen Lächeln auf den Lippen und Mordgedanken im Herzen ergriff er das Wort.
     
    Zehn Jahre war es her, dass Brunte Zeuge des Autounfalls geworden war, der die Familie Shore zerstört, Jack beinahe das Leben gekostet und ihn selbst dazu veranlasst hatte, die beiden ranghöheren Fyrd, die er begleitete, zu ermorden, damit die Ereignisse jener Nacht sein Geheimnis blieben und er später daraus Nutzen ziehen konnte. Heute, zehn Jahre später, war er stämmiger, sein Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher