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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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solle.
    Jack wurde nach nebenan geführt, die anderen folgten. Der Raum war warm und gedämpft beleuchtet, und eine Frau um die siebzig erwartete ihn. Sie war irgendeine Art von Heilerin und forderte Jack auf, sich auf den Bauch zu legen, damit sie ihn untersuchen könne.
    Handtücher wurden über seinen Kopf, den unteren Teil seines Körpers und die weniger versehrte Seite seines Rückens gebreitet. Die Couch, auf der er lag, hatte ein V-förmiges Loch, durch das eratmen konnte, aber bedingt durch seine Lage und die Handtücher vernahm er die Stimmen der anderen nur gedämpft.
    Die Finger der Frau wanderten leicht wie eine Feder über seinen Rücken, bis sie einen Höcker oder Knoten fanden, dann verharrten sie, wurden energischer und drückten, um die Spannung darunter zu lösen. Dazu sang sie leise ein Lied, das ihn zunächst an einen Klagegesang erinnerte, ihm aber schon bald, auch weil irgendjemand auf einer Art Flöte dazu spielte, wie die schönste traurige Weise vorkam, die er jemals gehört hatte.
    Doch er
hatte
sie schon einmal gehört, vor langer Zeit, und er wusste, dass jetzt gleich …
    Er hatte recht.
    Der Rhythmus veränderte sich, wurde lebhafter, packender, fremdartiger.
    »Ich kenne diese Melodie«, murmelte er. »Ich habe sie gehört, als ich noch sehr klein war, und ich … sie erinnert mich …«
    Die Berührung ihrer Hände war fest, ihre Stimme sanft.
    »Du kennst die Musik, und die Musik kennt dich. Eines Tages wird sie dich ganz gewiss wieder begrüßen, denn es ist die Weise deiner Sippe …«
    »Was meinen Sie damit?«
    Seine Wissbegier war natürlich groß, doch die Mattigkeit, die ihn befiel, je länger ihrer Berührungen andauerten, war größer.
    Massierte sie ihn? Er war sich nicht sicher.
    Wischte sie seine alten Tränen fort? Jedenfalls kam es ihm so vor.
    Drang ihre Berührung durch seinen geschundenen Körper bis in sein Herz? Er war davon überzeugt.
    Schlief er eine Zeit lang? Er blieb nicht ganz in der Welt der Sterblichen.
    Als er schließlich aufwachte, legte ihm Brif fest eine Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen, und flüsterte: »Jack, unsere Kleider sind gewaschen und gebügelt. Deine liegen hier. Du sollst gleich zu einem späten Nachtmahl zu uns stoßen, aber vorher möchte die Modor noch mit dir sprechen. Sie sagt, du sollst ruhig und behutsam aufstehen und dich dann ankleiden. Stort wird bei dir bleiben.«
    Jack stemmte sich vorsichtig von der Liege, innerlich so gelöst, dass es ihn nicht sonderlich störte, wie die alte Frau jede seiner Bewegungenbeobachtete. Stort war wie gewohnt gleichgültig gegen seine Umgebung und interessierte sich nicht dafür, ob Jack seine Kleider aus- oder anzog. Als Jack vollständig angekleidet war, gab ihm die Frau ein Zeichen, sich zu setzen. Er tat es nur zu gern.
    Die Modor sah ihn an und sagte leise: »Du wirst dich mehrere Stunden lang sehr müde fühlen, deshalb musst du schlafen. Wenn du aufwachst, wirst du das Gefühl haben, man hätte dich grün und blau geschlagen. Danach wirst du dich vierundzwanzig Stunden lang großartig fühlen, und dann …«
    Jack nickte und wollte gerade fragen, was sie mit ihm gemacht habe, da fuhr sie fort.
    »Du bist in innere Not geraten und musst dich darum auf eine schwere Zeit einstellen. Deine alten Verletzungen gehen tief und können vielleicht nie ganz geheilt werden.«
    Jack überlegte einen Moment, schaute auf und blickte in ihre durchdringenden Augen.
    »Sie sagen,
vielleicht.
Heißt das, sie können geheilt werden? Meine Haut und meine verbrannten Muskeln können wieder gesund werden?«
    Die Modor seufzte, senkte den Kopf und schloss halb die Augen. Dann stand sie plötzlich auf, und so geschwind, dass es ihr Alter Lügen strafte, kam sie zu ihm herüber und ergriff seine Hand. Ihre Augen waren schwarze Teiche, um die sich tausend dunkle Fältchen legten.
    »Beinahe alles kann geheilt werden«, sagte sie, »selbst solche Verletzungen wie deine. Es erfordert Mut und bereitet größere Schmerzen, als du dir vorstellen kannst. Und wer vermag schon zu sagen, ob eine Heilung all die Veränderungen wert ist, die sie mit sich bringt? Aber so ist der Lebensweg eines Riesen, und ich spüre, dass sein Geist in dir wohnt und dass deine Wurd stark ist und nicht so leicht ins Wanken gerät. Außerdem …«
    Jack schüttelte enttäuscht den Kopf und fiel ihr ins Wort. »Ständig sagen alle, ich sei ein Riese, dabei weiß ich noch nicht einmal, was das bedeutet.«
    Die Modor kicherte. »Niemand

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